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Ruhrfestspiele unter dem Thema “Heimat”

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Recklinghausen – Die Vorbereitungen laufen bereits auf vollen Touren. Die Ruhrfestspiele in Recklinghausen warten in diesem Jahr einmal mehr  mit einem prallen Füllhorn an Premieren und Veranstaltungen auf. In diesem Jahr präsentieren die Ruhrfestspiele insgesamt 111 Produktionen in 298 Veranstaltungen und 19 Spielstätten. Vom 1. Mai bis 17. Juni 2018 nehmen die Ruhrfestspiele das Thema „Heimat“ in den Fokus, ein Begriff, der für Vertrautes steht und doch anfällig ist für Brüche, Risse, Vereinnahmung.

“Heimat” ist das Motto der letzten Spielzeit des amtierenden Spielleiters Dr. Frank Hoffmann – Foto: Ruhrfestspiele

Gegenwärtig wird das Thema “Heimat” wieder heiß diskutiert, mitunter auch politisch instrumentalisiert und zur eigenen Abgrenzung missbraucht. Dem möchten die Ruhrfestspiele mit ihrem Spielzeitprogramm 2018 etwas entgegensetzen. Dabei werfen Werke von Hauptmann über Brecht und Dürrenmatt bis hin zu zeitgenössischen Autoren wie Michael Ojake und Konstantin Küspert hochaktuelle Fragen zu den Themen Herkunft und Identität, Heimat und Flucht auf.

2018 präsentieren die Ruhrfestspiele insgesamt 111 Produktionen in 298 Veranstaltungen und 19 Spielstätten. Das Festspielhaus in Recklinghausen – Foto: Torsten Janfeld 

Als Eröffnungsproduktion präsentieren die Ruhrfestspiele in Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater Dürrenmatts tragische Komödie über eine folgenschwere Rückkehr in die Heimat: „Der Besuch der alten Dame“ in einer Inszenierung von Intendant Frank Hoffmann. In den folgenden sechs Festivalwochen nähern sich die Ruhrfestspiele dem auf unterschiedlichste Weise assoziierten Begriff „Heimat“: ob in seiner Bedeutung als Herkunfts- und Wohnort, als subjektives Gefühl, als prägender Teil der eigenen Identität, als gemeinschaftsstiftendes, aber genauso ausgrenzendes Element. Ebenso thematisiert werden der Verlust von Heimat, Vertreibung und Flucht und die Suche nach einem neuen Zuhause.

Zur Eröffnmung der diesjährigen Ruhrfestspiele gibt es de Premiere von “Der Besuch der alten Dame” mit Maria Happel – Foto: Reinhard Werner 

Auch eine einschneidende Zäsur in der Heimat der Ruhrfestspiele, dem Ruhrgebiet, steht im Zentrum der Spielzeit 2018: das Ende des Steinkohlebergbaus. Damit endet eine Ära, die die Menschen im Revier ebenso wie das Festival maßgeblich geprägt hat. Anhand von Musiktheater-, Artistik- und Tanzproduktionen, Straßentheater, Konzerten sowie einem zweitägigen Forum werden die Geschichte und Bedeutung des Kohlebergbaus künstlerisch beleuchtet. So greift der Dramatiker Albert Ostermaier in „Die verlorene Oper. Ruhrepos“ das avantgardistische Projekt von Bert Brecht und Kurt Weill aus den 20er Jahren auf und entwickelt es weiter: zu einem visionären Werk über und für das Ruhrgebiet, das der isländische Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson als außergewöhnliches Musiktheater auf die Bühne bringt.

In zwei weiteren bemerkenswerten Musikproduktionen geben zwei Hollywood-Größen den Ton an. Der US-amerikanische Schauspieler John Malkovich schlüpft in „The Music Critic“ in die Rolle des Kritikers und zitiert bitterböse Fehlurteile und Schmähungen über einige der bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. In „New Worlds“ bieten sich HollywoodDarsteller Bill Murray und Starcellist Jan Vogler einen spannenden Schlagabtausch zwischen großer Musik und großer Literatur von Hemingway über Whitman bis Twain.

Darüber hinaus zeigen vom 22. Mai bis 16. Juni 2018 die internationalen Künstler und Ensembles des FRiNGE Festivals in Recklinghausen spannende Performances von Schauspiel und Tanz über Zirkus und Akrobatik bis hin zu Figurentheater und Musik. Zum Bergfest am 2. Juni findet erstmals ein FRiNGEFEST für Künstler und Publikum statt.

Mit dem Abschluss-Doppelkonzert der Ruhrfestspiele mit Leslie Clio und 2raumwohnung am 16. Juni und einer Abschiedsgala am 17. Juni 2018 verabschiedet sich Intendant Frank Hoffmann nach 14 erfolgreichen Jahren von den Ruhrfestspielen. Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG, die die Ruhrfestspiele in den vergangenen elf Jahren als Hauptsponsor begleitet hat, erklärt: „In seinem 14. und letzten Jahr als Hausherr auf dem Grünen Hügel in Recklinghausen ist Frank Hoffmann noch einmal ein eindrucksvolles Programm geglückt. Man wird sich an seine Intendanz erinnern als an eine Ära, in der es den Ruhrfestspielen, begleitet von großem Erfolg beim Publikum, gelungen ist, die Verpflichtung auf ihre einzigartige Gründungsgeschichte mit dem Anspruch auf internationale Strahlkraft zu verbinden.“

Der Kartenvorverkauf startet am 25. Januar 2018 um 9.00 Uhr.

Tickets: Kartenstelle der Ruhrfestspiele, Martinistr. 28, 45657 Recklinghausen

Telefon 0 23 61 – 92 18 0

E-Mail: kartenstelle@ruhrfestspiele.de

Hotline-Zeiten (Tel. 02361 / 9218 – 0): vom 25.01. bis 10.02.2018: Mo. – Sa. 9.00 – 19.00 Uhr, So. 12.00 – 19.00 Uhr vom 11.02. bis 17.06.2018: Mo. – Fr. 9.00 – 19.00 Uhr, Sa. 10.00 – 14.00 Uhr

www.ruhrfestspiele.de

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Ruhrfestspiele: “Der Kaukasische Kreidekreis”

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Recklinghausen – Kein Bühnenbild ist auch ein Bühnenbild: Der Berliner Regiestar Michael Thalheimer und Nachfolger des großen Claus Peymann verlässt sich bei seiner Inszenierung von Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“ ganz auf seine Schauspieler. Zu Recht: Konzentration und Verdichtung tun dem Stück gut. Auch die Streichungen, die alleine das Drama um die Magd Grusche (Stefanie Reinsperger) in den Mittelpunkt rücken, schaffen einen neuen Zugang, freilich einen, der alle politische Implikationen von einst beinahe aseptisch getilgt hat. Allerdings bieten die Verdichtungen vor allem Stefanie Reinsperger eine verdient große Bühne. Sie bekam mit Abstand den größten Applaus.

“Der Kaukasische Kreidekreis des Berliner Ensemble bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Horn

Das Berliner Ensemble ist mit dem Stück von Brecht in diesem Jahr bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen zu Gast. “Der kaukasische Kreidekreis” ist sicherlich eine der bedeutendsten Duftmarken, die das Ensemble – immerhin Brechts alte Hausbühne – bei den Ruhrfestspielen hinterlassen kann, bei der die Perlen der renommiertesten Theater vorgezeigt werden. Ein guter Querschnitt durch das Theatergeschehen der Republik.

Der salomonische Richterspruch ist natürlich in der Inszenierung von Thalheimer erhalten geblieben. Allerdings findet das schreckliche Gezerre um das Kind nicht über einem Kreidekreis, sondern über einer großen Blutlache statt. Danach bekommt die Magd Grusche das Kind zugesprochen. Übrigens: Blut fließt in dieser Inszenierung mehr als genug. Am Schluss gleich eimerweise. Ein durchaus unappetitlicher Aspekt der Umsetzung von Thalheimer, bei dem man sich mehr als einmal fragt, ob es gar so derb sein muss: Ein bisschen viel Klamauk und Volkstheater, als wenn der Theaterbesucher den Holzhammer bräuchte.

Gezerre um das Kind: “Der Kaukasische Kreidekreis des Berliner Ensemble bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Horn

Den Rahmen der Handlung bilden ein Sänger oder besser ein Conférencier und Moderator (Ingo Hülsmann), der wie ein Moritatensänger durch das Stück geleitet und ein Gitarrist, der mitunter mit ohrenbetäubenden Riffs auf seiner E-Gitarre a la Jimi Hendrix die Akzente setzt. Der Gitarrenklang bildet die musikalische Kulisse. Mal laut, mal leise. Durchaus bewegend, wenn ganz zart und kaum vernehmbar Leonard Cohens „Hallelujah“ erklingt.

“Der Kaukasische Kreidekreis des Berliner Ensemble bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Horn

“Die Handlung im Kreidekreis ist modellhaft klar und dialektisch schön”, so heißt es als Begründung für die Stückauswahl im Berliner Ensemble. “Bei einer Revolution lässt die fliehende Gouverneursfrau ihr Baby zurück. Ihre Magd Grusche findet das Kind und überlegt eine Nacht lang, ob sie als alleinstehende Frau im Krieg ein kleines Kind retten kann. Sie entscheidet sich für das Kind. Auf der Flucht gerät sie in immer größer werdende Schwierigkeiten an deren Ende sie vor ein Gericht gestellt wird, da die Gouverneursfrau ihr Kind zurückhaben will. Die Zeiten haben sich wieder geändert, jetzt ist das Kind der Erbe eines großen Vermögens.

Doch kurz bevor die alte Herrschaft die Zügel wieder fest im Griff hat, gibt es eine kurze Zeit der Anarchie, in der der Richter Azdak herrscht. Seine Richtersprüche sind gefürchtet bei den Reichen und ein Segen für die Armen. So erfindet er für den Fall, dass die biologische aber herzlose Mutter ihr Kind zurückfordert, den salomonischen Kreidekreis neu.”

 

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Turbulente Komödie zum Festivalstart

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Recklinghausen – Die diesjährigen Ruhrfestspiele in Recklinghausen sind mit einer im wahrsten Sinne “überdrehten” Komödie gestartet. In einer Co-Produktion mit dem altehrwürdigen Wiener Burgtheater wurde “Der Diener zweier Herren” gegeben, in der die Drehbühne neben den grandios agierenden Schauspielern für zusätzlichen Schwung sorgte. Das Stück ist ein Theaterschmankerl, gerade passend zum 70. Geburtstag der Ruhrfestspiele.

Bild v.l.n.r: Markus Meyer, Peter Simonischek Foto: Reinhard Werner

v.l.n.r: Markus Meyer, Peter Simonischek – Fotos: Reinhard Werner /Burgtheater

“Der Diener zweier Herren” stammt ursprünglich aus der Feder von Carlo Goldini, der im Venedig des 17. Jahrhunderts einer der fleissigsten Autoren für die damals beliebte commedia dell’ arte war. Rund 100 Stücke gehen auf sein Konto, in denen der Autor vorzugsweise die bessere Gesellschaft in Venedig mit durchaus deftiger Sprache aufs Korn genommen hat.

v.l.n.r: Andrea Wenzl (Beatrice), Markus Meyer (Truffaldino), Peter Simonischek (Pantalone de´Bisognosi) Foto: Reinhard Werner / Burgtheate

Im Eifer des Gefechtes landet die Suppe auf dem feinen Anzug des Kaufmanns – v.l.n.r: Andrea Wenzl (Beatrice), Markus Meyer (Truffaldino), Peter Simonischek (Pantalone de´Bisognosi)

Die neue Fassung, die jetzt in Recklinghausen als Eröffnungsstück des Theaterfestivals über die Bühne ging und in wenigen Tagen auch in Wien Premiere feiern wird, stammt von niemand geringerem als Jürgen Flimm, der zusammen mit Marina Wandruszka das Stück aktualisiert hat. Allerdings sind die teilweise beissenden und spöttischen Kritiken an der Gesellschaft in einer turbulenten, irrwitzigen Verwechslungskomödie aufgegangen, die man in ähnlicher Manier auch im Boulevardtheater sehen kann.

Das Schicksal hat zwei vornehme junge Liebespaare auseinandergerissen. Sie müssen sich wiederfinden. Treibender Charakter ist der Diener Truffaldino, der einfach nicht genügend zu beißen hat. Er sucht sich einen zweiten Herrn, der ihm nicht nur sein Einkommen erhöht, sondern ganz konkret im Restaurant etwas zu Essen bestellt – was selbstredend selbstverständlich nie wirklich passiert. Stattdessen bedient Truffaldino beide Herren gleichzeitig und wirbelt die Szene nicht nur gehörig auf, sondern sorgt auch dafür, dass die Paare sich schlußendlich mit viel Türengeknalle, Versteckspiel und allerlei dramatischen Szenen wieder zusammenfinden.

v.l.n.r: Irina Sulaver (Clarice), Sebastian Wendelin (Florindo), Christoph Radakovits (Silvio), Peter Simonischek (Pantalone de´Bisognosi), Johann Adam Oest (Dottore Lombardi), Andrea Wenzl (Beatrice), Mavie Hörbiger (Smeraldina), Hans Dieter Knebel (Brighella), Stefan Wieland (Ein Kellner) Foto: Reinhard Werner / Burgtheate

v.l.n.r: Irina Sulaver (Clarice), Sebastian Wendelin (Florindo), Christoph Radakovits (Silvio), Peter Simonischek (Pantalone de´Bisognosi), Johann Adam Oest (Dottore Lombardi), Andrea Wenzl (Beatrice), Mavie Hörbiger (Smeraldina), Hans Dieter Knebel (Brighella), Stefan Wieland (Ein Kellner)

Beatrice, eine junge Frau aus Turin, hat sich die Hosen übergestreift, um in der Männerrolle ihre Suche voranzutreiben. Sie mischt bewaffnet und mit Machogehabe die Männerwelt Venedigs auf. Truffaldino, der hungerleidende Gelegenheitsdiener, pendelt hektisch zwischen seinen beiden Herrschaften hin und her. Und im Hintergrund machen die ehrbaren Kaufmänner Geschäfte, undurchsichtiger als das Wasser in der Lagune.

v.l.n.r: Sebastian Wendelin (Florindo), Stefan Wieland (Ein Kellner), Markus Meyer (Truffaldino), Andrea Wenzeln (Beatrice) Foto: Reinhard Werner / Burgtheater

v.l.n.r: Sebastian Wendelin (Florindo), Stefan Wieland (Ein Kellner), Markus Meyer (Truffaldino), Andrea Wenzeln (Beatrice)

Ihre Macht hat die Republik Venedig im Jahre 1747 längst verloren. Doch sie sonnt sich weiter im alten Glanz, hält sich noch immer für den Mittelpunkt der Welt – nicht nur im Karneval. Die Venezianer, hingerissen von Goldonis virtuosem Sprach- und Spielwitz, übersahen, wie demaskierend der Spiegel war, den der junge Advokat ihnen vorhielt: Dass Truffaldino, der Knecht, den sie prügeln, ein Meister des „Arrangements“ ist und seine Herrschaften lenkt wie Puppen. Dass ihre preziösen Existenzen nicht mehr Halt haben als ein paar Teile feinen Porzellans auf einem schlingernden Tablett.

Regisseur Christian Stückl hat das Stück ins 20. Jahrhundert verlegt und mit durchaus derben Momenten als pralles Volkstheater inszeniert. Dass dabei ein ebenso furioser wie unterhaltsamer Abend herauskam, geht vor allem auf das Konto eines brillanten, überaus munter agierenden Ensembles zurück. Die Spielfreude der sich selbst übertreffenden Truppe aus Wien sprang förmlich in den Zuschauerraum über. Das Stück wurde mit viel Bewegung, Slapstick-Einlagen und teilweise großartiger Körpersprache ausagiert, dass es eine helle Freude war den Schauspielern zu folgen.

Auf der Bühne standen Peter Simonischek, Irina Sulaver, Christoph Radakovits, Markus Meyer, Johann Adam Oest, Sebastian Wendelin, Hans Dieter Knebel, Andrea Wenzl, Mavie Hörbiger und Stefan Wieland. Markus Meyer in der Rolle des Dieners gab ein Bravourstück, das mit Zwischenapplaus bedacht wurde. Er sprang über Tische und Stühle und legte zwischendurch von den Fingerspitzen bis zu den Fusssohlen in seiner Rolle auf der Bühne einen angedeuteten Spagat hin, mit dem er glatt im Zirkus hätte auftreten können. (Dr. Jörg Bockow)

Ruhrfestspiele Recklinghausen GmbH  / Otto-Burrmeister-Allee 1  / 45657 Recklinghausen
Telefon 02361 – 918-0
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Beziehungskisten für “Romeo und Julia”

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Recklinghausen – Sie gelten als das Liebespaar schlechthin: Romeo und Julia. In unzähligen Fassungen ist die Liebestragödie nach Shakespeare bearbeitet worden. Es ist ein Stoff, der die Fantasie und Kreativität jedes Künstlers herausfordert: Ewige Liebe, Leidenschaft und Tod. Dichter, Maler, Komponisten, Drehbuchautoren und Choreographen haben sich davon zu immer neuen Versionen und Fassungen inspirieren lassen.

Ballet "Roméo et Juliett" - Fotos: Olivier Houreix

Ballett “Roméo et Juliett” – Fotos: Olivier Houreix

Bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen feierte in diesem Jahr “Roméo et Juliette” als Ballett der Compagnie von Thierry Malandain seine Wiederaufführung. Es war ein mitreißender Tanzabend, der nahtlos an den großartigen Erfolg der Compagnie bei den Ruhrfestspielen im vergangenen Jahr anknüpfte. Malandain und seiner Tänzer lösten die höchsten Erwartungen ein, die weltweit mit dem Namen der Compagnie verbunden sind.

Choreographie Thierry Malandain

Choreographie von Thierry Malandain

Die Choreographie zu “Roméo et Juliette” von Malandain wurde 2010 beim Festival Le Temps d’Aimer in Biarritz uraufgeführt. Seither tritt das Malandain Ballet Biarritz mit diesem Stück in aller Welt auf. Auch in der Bundesrepublik konnte man das Stück in den vergangenen Jahren bereits einige wenige Male sehen. In Recklinghausen erlebt es eine mitreissende Premiere. Das Publikum bedankte sich mit langanhaltendem, tosendem Applaus.

Die Choreographie entstand nach der dramatischen Symphonie “Roméo et Juliette” von Hector Berlioz. Thierry Malandain läßt in seiner Choreographie 16 Tänzerinnen und Tänzer paarweise auftreten. Je acht als Romeo und acht als Julia. Die Handlung ist aufgegeliedert wie in einem schillernden Kaleidoskop, das Raum für großartige Ensembleszenen und einfühlsame und sinnliche Solos für Roméo, Juliett, Bruder Laurent, Mercutio, Tybald und den Prinzen bietet. Malandain beginnt mit dem Tod des Liebespaares und erzählt die Geschichte als eine große Rückblende.

Metallene Flighcases sind die variablen Requisiten. Sie symbolisieren Mauern, Betten und Gräber.

Metallene Flighcases sind die variablen Requisiten. Sie symbolisieren im Stück Mauern, Betten und Gräber.

Malandain hat sich von der wundervoll wuchtigen und an Herz gehenden Musik Berlioz inspirieren lassen, findet in der als Programmmusik angelegten Symphonie die passenden Inspirationen, die er mit Motiven des Modern Jazz Dance aber eben auch märchen- und zauberhaften Bildern des klassischen Balletts tanzen läßt. Bei großen Ensembleszenen nutzt die Gruppe den gesamten Spielraum einerseits so grazil und schwebend wie ein wehender Vorhang und wenige Sekunden später mit athletischen und donnernden Schritten, wenn der Kampf der rivalisierenden Familien, Montagues und Capulets, ausgedrückt werden soll.

Großartige Sololeistungen und mitreissende Ensemletänze stehen in einem harmonischen Verhältnis

Großartige Sololeistungen und mitreissende Ensemletänze stehen in einem harmonischen Verhältnis

Wie im vergangenen Jahr spielt Malandain in einer ebenso asketischen wie modernen Ausstattung überaus kreativ mit wenigen, einfachen Requisiten. 16 große Flightcases aus Blech werden zu abstrakten Kulissen und bilden das sich ständig wandelnde Bühnenbild. Sie transportieren die Geschichte zugleich in eine kalte, modernistisch überformte Gegenwart.

Die metallenen (Beziehungs)Kisten symbolisieren Gräber, werden zu Begrenzungen und trennenden Mauern, zu Sitzmöbeln und zu Schminktischen, zu Liebesnester, einem Steg und auch zum unvermeidlichen Balkon. Als Kostümkoffer enthalten sie zudem die Hochzeits- und Ballkleider der Julias und die Hosen und Hemden der Romeos. Schnelle Szenen- und Kostümwechsel sind kongenial und mitunter geradezu clownesk in den Tanz einbezogen. In den ausdrucksstarken und gefühlvollen Solos verschwindet das Ensemble komplett hinter dem eisernen “Vorhang” aus aufgestellten Kisten.

Höhepunkt des Tanzstückes ist sicherlich das dramatische Ende. Zu den Klängen von Berlioz, die in einer Art Oratorium münden, sterben Romeo und Julia ihren tragischen Tod. Sie verschwinden in den ihnen zugedachten Gräber, ohne dass sich das Schicksal ihrer erbarmt hätte. (Dr. Jörg Bockow)

 

 

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Auf der anderen Seite des Meeres

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Recklinghausen – Aktueller kann Theater kaum mehr sein: Es reibt sich an Widersprüchen der Gegenwart und bezieht Position. Streitbar, kompromißlos und durchaus auch schmerzhaft in seinen Folgerungen und Forderungen. So soll es sein. Die Zuschauer können dabei weder unbehelligt noch unbeteiligt bleiben. Die Ruhrfestspiele Recklinghausen bringen in diesem Jahr unter dem Leitmotiv “Mare Nostrum” mehrere Stücke zur aktuellen Flüchtlingspolitik auf die Bühne. So politisch wie heuer waren die Ruhrfestspiele lange nicht mehr!

Schauspiel Leizig bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen - Fotos: Bettina Stoess

Schauspiel Leipzig bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen – Fotos: Bettina Stoess

Die Inszenierung von “Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen” verbindet das 2500 Jahre alte Drama von Aischylos mit dem Flüchtlingsstück der österreichischen Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

Zahlreiche Theater haben sich bereits mit dem polemischen Stück von Elfriede Jelinek auseinandergesetzt und fast immer zu heftigen Diskussionen Anlaß gegeben. In Dresden fand eine Premiere des Stückes unter Polizeischutz statt. Bei den Ruhrfestspielen wird die aktuelle Inszenierung des Schauspiel Leipzig gegeben, in der zum ersten Male Aischylos und Jelinek miteinander verbunden wurden. Es ist ein spannender Brückenschlag, den Regisseur Enrico Lübbe vorgenommen hat. Agitatives Sprechtheater mit allem Schauwert, den nur eine Theaterbühne hergeben kann. In einem kargen Bühnenbild, das einen an ein rostendes Schiffswrack und zugleich an eine kaum überwindbare Grenze erinnert, agiert ein Chor – mal in einer antiken Tragödie, dann als eine Art Musical inszeniert, das von trashigen und schrillen Nummern unterbrochen wird. Lübbe nutzt alle Showeffekte, ohne indes den Text zu verraten und sein Ziel aus den Augen zu verlieren.

Schauspiel Leizig bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen

Schauspiel Leipzig bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen

Entstanden ist ein großartiger Theaterabend, der seine eindringliche Wirkung vor allem aus dem hochemotionalen, sprachgewaltigen und zugleich klugen Text von Elfriede Jelinek zog. Jelinek geht mit ihren Sprachspielen den Worten auf den Grund, legt ihre tiefere Bedeutung offen  – manchmal ist das durchaus banal, oft aber auch mit frappierendem Erkenntnisgewinn. Der Chor der Flüchtlinge ist mit mehr als 50 Laiendarstellern sowie einigen Schauspielstudenten besetzt. Sie werden präzise dirigiert, so dass der Text eine beeindruckende Intensität entfaltet.

Das Publikum applaudierte am Ende frenetisch, auch wenn der Abend anders ausging als gewohnt. Der “Eiserne Vorhang”, der Anfang und Ende des Stückes, die unüberwindbare Grenze symbolisierte, blieb minutenlang geschlossen, so als verweigerte sich damit das Ensemble dem Applaus. Die Schauspieler und Sprecher wurden also nicht in der “Wirklichkeit” der Bühne gefeiert, sondern sie betraten “in zivil” den Zuschauerraum durch einen Seiteneingang. Es sollte eine deutliche Zäsur zwischen Kunst und Wirklichkeit geben, der unüberhörbare Appell zu mehr Menschlichkeit und Offenheit gegenüber den Asylsuchenden nicht einfach verwischt werden.

Die Doppelinszenierung von “Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen” macht die historische Dimension des Umgangs mit Flüchtlingen und Asylsuchenden deutlich. Während Aischylos am Ende das Volk zum Asyl für die Dana-Töchter befragen will und dafür die Zustimmung erhält, ist der Ausgang für die “Schutzbefohlenen” – ganz wie in der Wirklichkeit – noch offen und ungesichert. Es gibt Widerstand von vielen Seiten.

Elfriede Jelinek bezieht in ihrem Stück sarkastisch Position gegenüber der Haltung Österreichs und der Bevölkerung zu jenen Flüchtlinge, die im Herbst 2012 in einem Protestmarsch ins Zentrum von Wien gezogen waren, um auf die prekäre Situation im österreichischen Auffanglager Traiskirchen aufmerksam zu machen. Sie konfrontiert das Publikum stellvertretend für die Gesellschaft mit ihrer Wut, ihrem Unverständnis und vor allem der Verzweiflung der Flüchtlinge. Damit sind auch wir gemeint, die wir Flüchtlinge im eigenen Land haben.

Schauspiel Leipzig bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen

Schauspiel Leipzig bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen

Die Aufführung von “Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen” kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zur Aufführung, da die Bedingungen für Flüchtlingen in ganz Europa noch einmal verschärft worden sind. Die Balkan-Route von Griechenland aus ist versperrt. Slowenien, Mazedonien und Östereich haben ihre Grenzen dicht gemacht. Sie zeigen den Asylsuchenden die kalte Schulter. Ungarn und Polen verweigern sich einer europäischen Lösung und wollen keine Flüchtlinge aufnehmen. Auf dem Mittelmeer verlieren wieder hunderte von Menschen auf ihrer Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung ihr Leben. Das Lager im griechischen Idomeni wird aufgelöst. Im eigenen Land gibt es eine rasant wachsende Zahl von Anschlägen und Übergriffen auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte.

Die Flüchtlinge sind längst zum Spielball und Faustpfand von kalten Machtinteressen einerseits und rassistischen Umtrieben andererseits geworden. Das, warum diese bei uns in Europa um Asyl flehen wird längst ausgeblendet. Die Menschlichkeit ist auf der Strecke geblieben – fast erscheint es so, als wenn die Kälte und die Ablehung, die den Flüchtlingen im Westen entgegenschlagen, die Verlängerung des Terrors in ihren Heimatländern ist. Elfriede Jelinek hält dem Zuschauer den Spiegel vor.

Bei Aischylos fliehen die Töchter des Danaos mit ihrem Vater von Ägypten über das Mittelmeer nach Griechenland. Der Grund: Sie sollen mit den Söhnen des Aigyptos vermählt werden, wollen sich dem aber entziehen. Erreichen sie Argos, bringen sie dort König Pelasgos in eine unappetitliche Situation. Er muss sich entscheiden, ob er einen Krieg mit dem mächtigen Ägypten riskiert oder das Sakrileg begeht, Schutzflehenden Asyl zu verweigern. In der griechischen Polis war so etwas undenkbar, also gewährt der wankelmütige Pelasgos den Danaiden dann doch Asyl.

Elfriede Jelineks Part wird zu einem einzigen Klagelied. Der Chor skandiert in den zum Teil schrill wechselnden Szenen nur einen einzigen Vorwurf. Der Sprechgesang richtet sich an uns alle. “Wir leben. Wir leben. Hauptsache, wir leben, und viel mehr ist es auch nicht als leben nach Verlassen der heiligen Heimat. Keiner schaut gnädig herab auf unseren Zug, aber auf uns herabschauen tun sie schon. Wir flohen, von keinem Gericht des Volkes verurteilt, von allen verurteilt dort und hier. Wir versuchen, fremde Gesetze zu lesen. Man sagt uns nichts, wir erfahren nichts, wir werden bestellt und nicht abgeholt, wir müssen erscheinen, wir müssen hier erscheinen und dann dort”, ruft der Chor zu Beginn. Die Schutzbefohlenen werden nach ihrer Flucht weiter hin und hergestoßen, entmündigt. Es geht nicht mehr um Menschen, Individuen und Persönlichkeiten. Das Asylrecht wird außer Kraft gesetzt, Menschenrechte mit Füßen getreten. Ein skandlöser Zustand. Die Schlußzeile bleibt im Gedächtnis hängen: “Wir sind angekommen – aber wir sind gar nicht da!” Der enthaltene Vorwurf ist wohl verstanden worden. (Dr. Jörg Bockow)

 

 

 

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Ruhrfestspiele 2017: “Kopfüber Weltunter”

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Recklinghausen – In ihrer 71. Spielzeit setzen sich die Ruhrfestspiele vom 1. Mai bis 18. Juni 2017 mit dem Gefühl des Chaos und der Unsicherheit in Zeiten des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels und der radikalen Umbrüche künstlerisch auseinander. Ängste und Verunsicherung zählen ebenso zu den Begleitern starker Veränderungsprozesse wie die Hoffnung auf Fortschritt und Neubeginn. Diese Ambivalenz spiegelt sich im diesjährigen Spielzeitprogramm unter dem Motto „Kopfüber Weltunter“.

Gastspiel “Angst”: (v.l.n.r) Matthias Brandt, Jens Thomas – Foto: Mathias Bothor

Dabei richten die Ruhrfestspiele den Blick auf große revolutionäre Momente und ihre gesellschaftlichen wie literarischen Konsequenzen: von der Reformation über die Romantik als Folge der Französischen Revolution, über die Industrialisierung und die Russische Revolution bis hin zur Protestbewegung auf dem Maidan. Zugleich reflektieren sie die aktuellen Entwicklungen – von den Herausforderungen der Flüchtlingsbewegung über den wachsenden Zuspruch radikaler Parteien bis hin zum digitalen Wandel. „In einer von Selbstzweifel durchdrungenen Gesellschaft, die dem Kontrollwahn im privaten und öffentlichen Bereich verfallen ist, steht das Programm der Ruhrfestspiele für Loslösung, Befreiung, vielleicht für Utopie“, so Festspielleiter Frank Hoffmann.

Der Sandmann: E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ in einer musik- und bildgewaltigen Inszenierung der internationalen Regielegende Robert Wilson und der britischen Singer-Songwriterin Anna Calvi – Foto: Annick Lavallce Benny

Als Eröffnungsproduktion präsentieren die Ruhrfestspiele in Koproduktion mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus und Unlimited Performing Arts eine Weltpremiere: E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ in einer musik- und bildgewaltigen Inszenierung der internationalen Regielegende Robert Wilson und der britischen Singer-Songwriterin Anna Calvi.

Es folgt ein Spielzeitprogramm prall gefüllt mit weiteren herausragenden Werken von Goethe, Strindberg und Pirandello über Kafka, Brecht und Canetti bis hin zu Günter Grass, Woody Allen und Elfriede Jelinek. Künstler aus aller Welt von den USA über Südafrika, Syrien und die Ukraine bis hin nach China bereichern den Spielplan mit spannenden Produktionen. Dabei beschäftigen sich Schauspiel-, Musiktheater- und Tanzproduktionen ebenso mit dem Spielzeitthema wie die prominente Lesereihe.

2017 präsentieren die Ruhrfestspiele: 108 Produktionen in 311 Veranstaltungen und 21 Spielstätten.

Der Kartenvorverkauf startet am 19. Januar 2017 um 9.00 Uhr.

Tickets: Kartenstelle der Ruhrfestspiele, Martinistr. 28, 45657 Recklinghausen
Telefon 02361 – 92180,

E-Mail: kartenstelle@ruhrfestspiele.de

Hotline-Zeiten (Tel. 02361 / 9218 – 0): vom 19.01. bis 05.02.2017: Mo. – Sa. 9.00 – 20.00 Uhr, So. 12.00 – 19.00 Uhr
vom 06.02. bis 18.06.2017: Mo. – Fr. 9.00 – 19.00 Uhr, Sa. 10.00 – 14.00 Uhr

www.ruhrfestspiele.de

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Vorhang auf für die Ruhrfestspiele

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Recklinghausen – So gehen Eröffnungen! Mit einem Paukenschlag und einem optischen Feuerwerk sind die Ruhrfestspiele in Recklinghausen vor wenigen Tagen eröffnet worden.  Das Publikum hat den fulminanten Start goutiert und mit frenetischem, langanhaltenden Applaus bedacht. Den Auftakt bildete die Eröfnungsproduktion “Der Sandmann” von E.T.A. Hoffmann in einer spektakulären Inszenierung von Robert Wilson. Nach seinem Gastspiel während der Ruhrfestspiele ist die Koproduktion ab dem 20. Mai am Schauspielhaus in Düsseldorf zu sehen.

“Der Sandmann” (vlnr) Christian Friedel, Rainer Philippi- Fotos: Lucie Jansch

Ein Junge wächst zum Mann heran und wird im Zuge dessen wahnsinnig – so ließe sich E. T. A. Hoffmanns 1816 erschienene Erzählung “Der Sandmann” auf den Punkt bringen. Die Schauermär geht von einem Kindheitstrauma aus: Der Vater des kleinen Nathanael, ein heimlicher Alchemist, verunglückt bei einer Explosion tödlich. Der Junge glaubt, das tragische Ereignis müsse mit dem Sandmann in Verbindung stehen, von dem die Mutter oft erzählt: Er streut Kindern, die nicht schlafen wollen, Sand in die Augen, bis diese ihnen blutig aus dem Kopf springen.

Rosa Enskat in der Rolle der Mutter von Nathanael

Nathanael, inzwischen zum Studenten herangewachsen, verliebt sich in Olimpia, eine Automaten-Frau aus Holz und Wachs. Erst als der Holzpuppe die Augen ausgerissen werden, erkennt Nathanael, dass er einen Automaten liebt. Er verfällt dem Wahn und stürzt in den Tod.

Im Sinne der „Schwarzen Pädagogik“ dient die grausige Gutenachtgeschichte dazu, das Kind mittels Angst zu kontrollieren – mit unabsehbaren Folgen. Für Nathanael verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Wahn. Verzauberte Augengläser, lebendige Puppen und sich drehende Feuerkreise – die Geister der Vergangenheit holen ihn ein. Hoffmann thematisiert damit als einer der ersten die Angst des Menschen in der Moderne.

Christian Friedel in der Rolle des Nathanael

Robert Wilsons Gesamtkunstwerke entfalten ihre Wirkung mit feinsinnigen Lichtkompositionen, präzisen Bewegungsabläufen und einem buchstäblich coolen  Designs. Dafür greift Wilson tief in die Trickkiste des Theaters und nutzt alles, was Theater heute zu bieten hat. An seiner Seite: die britische Singer-Songwriterin Anna Calvi, die für dramatisch-morbiden Rock und poetische Texte steht. Ihre dunkle Stimme und das virtuos-gefühlvolle Gitarrenspiel sind unverwechselbar.

Der amerikanische Regiestar Robert Wilson setzt jedem Stück durch seine perfektionistische Inszenierung seinen eigenen Stempel auf. So auch beim “Sandmann”. Wilson ist ein Theatermaniak, der die Zuschauer in eine Art Rausch versetzen will. Kein Wunder: Dem Publikum gehen buchstäblich Ohren und Augen über.

Gleich zu Beginn lassen die Musik und Songtexte von Anna Calvi die Trommelfelle erzittern. Mit einem ohrenbetäubenden Auftakt wird das Publikum bei der “Rockspektakel” fast aus den Sitzen gerissen, um dann durch die feingesponnen Lichtspiele zum Staunen gebracht zu werden.

Yi-An Chen in der Rolle der Puppe “Olipia”

Wilson gelingt es wie kaum einem Zweiten eine Bühne zu bespielen und durch eine präzise Lichtführung eigene Räume entstehen zu lassen. Licht und Farben sind seine bevorzugten Mittel. Mal läst er seine Darsteller wie in einem Schattenspiel nur als Silhouetten auftreten, dann wieder erscheinen nur ihre Gesichter in farbigem Scheinwerferfokus mal vorne, mal in der Tiefe des Raumes, mal oben und mal unten. Der Regisseur avanciert zum Magier, der eine Sensationsmaschinerie bedient, um seine Zuschauer mit der kühlen Eleganz seiner Bilder zu betören. Bei alledem bleibt die Geschichte fast auf der Strecke, die Darsteller mutieren zu Marionetten. Bei aller Faszination streut Wilson damit seinem Publikum im übertragenen Sinne Sand in die Augen ganz so wie es der finstere Doktor Coppelius (Andreas Grothgar) tut.

Andreas Grothgar in der Rolle des

Der Westfälische Anzeiger kommt in seiner Rezension zu dem Schluß: “Wilson lässt die Rädchen des Theaterbetriebs offen schnurren. Der ‘Sandmann’ ist metakluges Theater für Kenner; Zauber für längst Entzauberte. Wir wissen ja alle, wie es geht, wenn Nathanael Seiten umblättert, ohne das Buch zu berühren. Es ist so, als stünde man auf einem Nostalgie-Jahrmarkt und schaue in eine ‘Laterna Magica’. Die Bilder sind umwerfend, aber man hat die Sicherheit, dass man hinterher ruhig wieder nach Hause geht.”

Nicht verhohlen werden darf, dass Wilsons Inszenierung des “Der Sandmann” auch auf einem hervorragenden Ensemble gründet. Die Schauspieler überzeugen bei allen comicartigen Bewegungen und einer maschinenhaften Choreographie durch ihr präzises Spiel, ihre Sprache und nicht zuletzt durch ihren Gesang. Hervorragend besetzt: Nathanael (Christian Friedel) und Nathanaels Mutter (Rosa Enskat). Jörg Bockow

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Verbrechen und andere Kleinigkeiten

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Recklinghausen – Gestenreich und kunstvoll, lärmend und ziemlich hektisch: Intendant Frank Hoffmann bringt August Strindbergs “Rausch” mit einer hochkarätigen Besetzung auf die Bühne der Ruhrfestspiele. Doch die Frage nach Schuld und Sühne, die Strindberg in die Form einer Komödie gebracht hat, rauscht förmlich an einem vorüber, ohne irgendwelche Wirkungen oder Spuren zu hinterlassen. Die Schauspieler schreien, toben und spielen zwar nach allen Regeln der Kunst, aber ihr Spiel bleibt seltsam distanziert. Das Drama kommt trotz vieler Worte nicht über die Rampe, nicht einmal die sprachlichen Aperçus bohren sich als Widerhaken ins Gedächtnis ein. Alleine der Satz “Wir ekeln uns an, und trotzdem müssen wir heiraten; das ist die Hölle!” zeigt Reaktionen im Publikum. Die innere Spannung der Protagonisten und ihre Auseinandersetzung mit der vermeintlichen Schuld, bleiben aber nur eine Kopfgeburt.

Maurice mit seiner Verlobten Jeanne (Sinja Dieks, Robert Stadlober) in “Rausch” – Fotos: Birgit Hupfeld

Sein Stück müsste im Deutschen “Verbrechen und Verbrechen” heißen, denn so wäre die eigentliche Übersetzung des Titels. Auf deutschen Bühnen taucht das Stück als “Rausch” auf. Es wird häufig gespielt. Strindberg hat es 1899 wie atemlos aufs Papier gebracht, zwei Jahre nach der „Inferno-Krise“, einem Gemetzel der Beziehungen, an dem Strindberg fast zerbrach. Er selber hat “Rausch”als eine Komödie betitelt. Es ist offensichtlich, dass er mit dem Stück seine eigenen biographischen Verwicklungen abzuarbeiten sucht.

Im Rausch der Leidenschaften: Maurice ist Henriette verfallen (Robert Stadlober, Jacqueline Macaulay)

“Rausch” erzählt wie im Schnelldurchlauf vom Aufstieg und Fall eines Dichters. Maurice (Robert Stadlober) ist das Alter Ego des Autors. Mit seinem neuen Stück hat der Dramatiker endlich den Erfolg und bekommt die Aufmerksamkeit und Anerkennung, nach denen er sich so gesehnt hat. Das Leben ist auf einmal ein einziges Fest.

Wie sollen Henriette und Maurice mit ihrer Schuld weiter leben und sich weiter lieben können?

Am Abend seines größten künstlerischen Triumphes betrügt er sowohl seine Verlobte die blonde Jeanne als auch seinen besten Freund: Er feiert mit dessen Freundin Henriette (Jacqueline Macaulay), einer Femme fatale mit dunklen Haaren und knallrotem Kleid. Liebe entbrennt und wilde Leidenschaft, Dichter und Femme fatale wollen durchbrennen – nur leider hat Maurice familiäre Verpflichtungen: Es gibt ein Kind mit seiner braven Verlobten Jeanne (Sinja Dieks). Es ist der wahre Klotz am Bein des Dichters. Im erotischen Taumel wünschen sich Maurice und Henriette, das Kind wäre tot, um frei zu sein. Am nächsten Morgen ist das Kind tatsächlich tot. Alles steht Kopf, alles ist aus den Fugen geraten. Ein wahrer Kriminalfall setzt an, mit Kommissar und Verbrechersuche.

Maurice weiß sich in seinem Gewissenskonflikt zu helfen: “Heute abend treffe ich Sie, Abbé, in der Kirche, um mir über alles klarzuwerden – aber morgen gehe ich ins Theater!”

Der Dichter wird verhaftet, sein Stück wird abgesetzt. Die Gesellschaft wendet sich aprupt von ihm ab. Tief ist der Fall, zu Ende der Liebesrausch. Gegenseitige Verdächtigungen, Vorwürfe und Gewissensbisse bleiben: Können Gedanken morden? Denn es stellt sich heraus: Das Kind ist eines natürlichen Todes gestorben. Doch die Schuld bleibt.

Von der neuerlichen Wendung wird Maurice nicht wirklich erlöst: Er hat in Gedanken einen Mord begangen. Also sucht er Zuflucht im Schoß der Kirche. Der Abbé (Wolfram Koch) ist allgegenwärtig und als Kommentator stets dabei. Er hastet über die Bühne und zieht seine Kreise. Wolfram Koch löst seine Doppelrolle kongenial: Als Kommissar und als Gottesmann.

Maurice bekommt die Nachricht, dass er rehabilitiert sei, sein Erfolgsstück werde wieder gespielt. Das Publikum verlangt nach ihm. Er soll ins Theater kommen, wo er gefeiert werden soll. “Das habe ich nicht verdient”, stöhnt er. Der anwesende Priester stimmt ihm zu. Was soll Maurice machen: Buße tun oder sich feiern lassen? Dann findet er die “Lösung” und erklärt dem Abbé: “Heute abend treffe ich Sie in der Kirche, um mir über alles klarzuwerden – aber morgen gehe ich ins Theater!” Die Schlußpointe kommt an. Aber das ist ein bißchen wenig für so einen Theaterabend. (Jörg Bockow)

Ruhrfestspiele Recklinghausen  / Otto-Burrmeister-Allee 1 / 45657 Recklinghausen
Telefon 02361 – 9180
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Milieustudie: Die Welt der Hools

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Recklinghausen – Ihre Sprache ist derb, aggressiv und so brutal wie ihre Fantasien und ihre Aktionen. Wenn Heiko und seine vier Freunde als Gang auftreten und sich zum “Kampf verabreden”, dann geht es richtig zur Sache. Dann kriegen vor allem die Fans von Eintracht Braunschweig eins auf die Fresse. Alkohol und Gewaltexzesse sind ihr wichtigster Lebensinhalt. Da wird Frust ausagiert bis Blut spritzt, Zähne fliegen und Knochen brechen.

“Hool”nach dem Roman von Philipp Winkler bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: (v.l.n.r.) Daniel Nerlich, Nicola Fritzen, Sebastian Weiss und Philippe Goos – Foto: Katrin Ribbe

Als Gruppe von fünf Fußballfreunden treten sie mit einer Brutalität auf, dass das Publikum sich mitunter angewidert abwendet und einen Würgreiz unterdrücken muss. Dabei erleben die fünf verschworenen Hooligans bei ihren gewaltsamen Ausflügen, beim Training im Fitnessstudio oder in der Kneipe einen Zusammenhalt und eine Solidarität, die sie in ihren eigenen Familien so schmerzlich vermissen.

Alles ist nur ein Spiel: Lars-Ole Walburg hat den Debütroman “Hool” von Philipp Winkler über Hooligans von Hannover 96 für die Bühne adaptiert. Die Rahmenhandlung ist der Dreh für eine Dokumentation über gewalttätige Fußballfans. Die Fünf Freunde spielen und sprechen in einem Synchronstudio und turnen über eine klug angelegte Drehbühne, die mal Studio, dann Wohnung und schließlich Gerüst am Stadion von Hannover 96 darstellt. Kraftvoll bis an die Grenze der körperlichen Leistungsfähigkeit und in jeder Sekunde überzeugend agieren die fünf Schauspieler: Nicola Fritzen, Carolin Haupt, Philippe Goos, Daniel Nerlich, Sebastian Weiss. Eine großartige Leistung!

“Hool”nach dem Roman von Philipp Winkler bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: (v.l.n.r.) Carolin Haupt, Sebastian Weiss und Philippe Goos – Foto: Katrin Ribbe

Mit seinem Romandebüt “Hool” schaffte es Philipp Winkler im vergangenen Jahr auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis.  Der Roman ist wie ein Schlag ins Gesicht. Er schildert die Wirklichkeit einer Gruppe von Hooligans unverblümt und in einer authentischen Sprache. Die Bühnenfassung ist die dramatische Umsetzung, die dem Buch in nichts nachsteht.

Die Uraufführung bei den diesjährigen Ruhrfestspielen ist ein echtes Highlight im Programm: Realistisch und verdammt unbequem. Sie geht unter die Haut. Das Stück löst heftige Diskussionen über unsere aktuelle Fußballkultur, aber eben auch über eine alleingelassene Jugend aus. “Hool” ist im besten Sinne eine ungeschminkte Milieustudie und ein geniales Lehrstück. Die Inszenierung ist in Kooperation mit dem Schauspiel Hannover entstanden. Das Stück wird im Herbst in Hannover über die Bühne gehen. Man kann nur hoffen, dass die Aufführung dort viele Schulklassen anzieht und zu eingehenden Diskussionen führt.

“Heiko ist Hannoveraner Hool, was bedeutet, Braunschweig ist der Feind und das einzig lohnende Ziel heißt, die eigene Rotte berühmt zu machen und Hannover mit Tritten und Schlägen ‘auf die Landkarte zu setzen’. Winklers Protagonist erzählt von den Schlachten als einzigem Höhepunkt eines öden Lebens. Er berichtet dies in so authentischem Ton, dass alle Welt rätselte, ob der Autor das alles so wirklich erlebt oder einfach einen exzellent recherchierten Roman geschrieben hat.

“Hool” – (v.l.n.r.) Daniel Nerlich und Nicola Fritzen Foto: Katrin Ribbe

Der Text fasziniert, weil er den Zugang öffnet zu einer verschlossenen Welt hinter den sprachlosen Masken der Gewalt. Ein ungerichteter Zorn tobt in Heiko, den er weder verbergen noch kontrollieren kann. Seine Mutter hat sich aus dem Staub gemacht, der Vater ist ein hoffnungsloser Trinker. Die Hooligans sind wie eine zweite, die eigentliche Familie. Eine Gemeinschaft, mit der man säuft, mit der man prügelt, nach dem Motto: Das Leben ist Kampf!” (Programmankündigung)

Bei aller Authentizität der Figuren und ihrer Sprache, das Stück lädt an keiner Stelle zur Identifikation ein. Die Personen faszinieren nicht, sie bewirken allenfalls Mitleid. Der Zuschauer bleibt in der Rolle des Beobachters, der Zusammenhänge erahnt und verstehen kann. Die fünf Freunde werden nachvollziehbar, ohne dass sie zu Helden werden. Sie sind und bleiben Looser.

Am Ende bleibt Heiko mit seiner Wut auf alles alleine. Seine Verzweiflung kennt keine Grenzen. Seine seelischen Verletzungen sind so groß, dass es für ihn keine Rettung mehr geben wird. Seine Freunde machen sich eine(r) nach dem anderen davon, entwickeln neue Perspektiven nachdem einer von ihnen in einem Kampf so schwer verletzt wird, dass er sein Augenlicht verliert. Die Dramaturgie des Theater will es, dass es einen Höhepunkt und einen Abschluß gibt. Im wirklichen Leben sind solche Lösungen vermutlich eher die Seltenheit. (Jörg Bockow)

“Hool”
nach dem Roman von Philipp Winkler
Regie: Lars-Ole Walburg, Bühne: Robert Schweer, Kostüme: Nina Gundlach, Dramaturgie: Kerstin Behrens, Musikalische Leitung: Matthias Meyer
Mit: Nicola Fritzen, Carolin Haupt, Philippe Goos, Daniel Nerlich, Sebastian Weiss.

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Beim Abendessen fallen alle Masken

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Recklinghausen – Eine Lösung ist nicht in Sicht, das Ende bleibt seltsam offen. Position zu beziehen, überlässt der amerikanische Erfolgs-Autor geschickt dem Publikum. Dafür hat Ayad Akhtars in seinem Stück “Geächtet” eine höchst explosive Mischung angerichtet, die ausgerechnet bei einem Abendessen unter Freunden in die Luft geht. Zur Feier des Tages gibt es Schweinelende, Fenchelsalat und viel Alkohol, also eigentlich weder etwas für Muslime noch für Juden. Aber egal. Alle fühlen sich längst als aufgeklärte Amerikaner.  Doch plötzlich fliegen Worte wie Fäuste, da gehen Gläser mit vielen Scherben zu Bruch wie die vermeintliche Freundschaft zwischen Amir, Emily, Isaac und Jory. Unversehens stehen sich Kulturen und Religionen unversöhnlich gegenüber als hätte es nie Bemühungen um eine Verständigung oder Integration gegeben. Multikulti ade. Immer wieder drängt sich einem ein Vergleich mit “Gott des Gemetzels” von Yasmina Reza auf.

Katharina Lorenz (Emily), Fabian Krüger (Amir), Nicholas Ofczarek (Isaac), Isabelle Redfern (Jory) – Foto: Georg Soulek

Das Wiener Burgtheater gastiert mit “Geächtet” in der vielbeachteten Inszenierung von Tina Lanik bei den diesjährigen Ruhrfestspielen in Recklinghausen. Das ist Theater wie man es sich nur wünschen kann. Mitreißend, pointiert, streckenweise durchaus unterhaltsam und unter die Haut gehend. Schnörkellos verläßt sich Tina Lanik dabei auf ihr wirklich herausragendes Ensemble. Fabian Krüger brilliert als Amir, Katharina Lorenz als Emily, Isabelle Redfern als Jory, Christoph Radakovits als Abe und vor allem Nicholas Ofczarek als Isaac. Letzterer gibt den arroganten jüdischen Intellektuellen. Das Bühnenbild von Stefan Hageneier ist schlicht, monochrom Weiß aber durchaus funktional. Es bietet den Figuren allen Raum, um sich zu entfalten und der Katastrophe entgegen zu steuern. Sie agieren im cleanen, aseptischen und gleißenden Licht einer Versuchsanordnung. Die Zuschauer werden zu Zeugen eines sozialen Experimentes.

Katharina Lorenz (Emily), Fabian Krüger (Amir), Nicholas Ofczarek (Isaac), Isabelle Redfern (Jory) – Foto: Georg Soulek

Kulturelle Unterschiede, die bis dahin hinter einer schicken Fassade verborgen waren, brechen sich in “Geächtet” explosionsartig Bahn. Mühsam erarbeitete, bis zur Selbstaufgabe betriebene Anpassung wie bei Amir verliert ihre Fassung. Die Lüge, mit der er seine Karriere als Anwalt in einer erfolgreichen Kanzlei jüdischer Partner aufgebaut hat, wird jäh entlarvt und fliegt ihm um die Ohren. Er hat halbherzig auf Bitten seiner Frau Emily einen Imam verteidigt, der des Terrorismus verdächtigt worden ist. Statt endlich Partner in der Kanzlei zu werden, wird er von Jory übervorteilt. Seine Chefs haben ihn wegen seines Auftritts vor Gericht längst fallen gelassen. Der jüdische Intellektuelle Isaac, vermeintlicher Förderer der Künstlerin Emily, entpuppt sich als sexistisches Monster, als überheblicher Scheißkerl und glühender Rassist. Einmal Moslem – immer Moslem hält er Amir vor. Aber auch Amir “erinnert” sich an die Herrschaft des Mannes gegenüber der Frau im Islam. Als er nicht mehr weiter weiß, stößt er Emily brutal gegen ein Bücherbord und vergreift sich anschließend an ihr.

Am Ende werden mit bewußtem Kalkül von allen Figuren alle Klischees bedient, die aus der Mottenkiste der Vorurteile zu stammen scheinen. Der Cousin Abe verwandelt sich in einen Islamisten und kündigt an, Rache zu nehmen: “Seit dreihundert Jahren nehmen sie uns das Land weg, ziehen neue Grenzen, setzen unser Recht außer Kraft, sorgen dafür, dass wir sein sollen wie sie. Aussehen wie sie. Ihre Frauen heiraten. Sie haben uns geächtet. Und dann tun sie so, als könnten sie unseren Zorn nicht verstehen?” Da bleibt einem als Zuschauer die Spucke weg.

In Zeiten, da politisch allerorten das Thema Flüchtlinge und ihre (vermeintlich gescheiterte) Integration auf der Tagesordnung steht und von Populisten benutzt wird, reaktionäres und rassistisches Gedankengut zu befeuern, kann “Geächtet” auch gründlich mißverstanden werden, so als wenn Ayad Akhtars Parteigänger der Rechten wäre. Dass der Autor weit davon entfernt ist, lässt sich allerdings nur durch eine gründliche Betrachtung und Auseinandersetzung klären. In Amirs Versuch sich vollständig in der amerikanischen Gesellschaft zu assimilieren korrespondiert mit der eigenen Lebensgeschichte von Ayad Akhtar. Auch er ist ein Aufsteiger mit Migrationshintergrund. Auch er hat seine familiären Wurzeln in Pakistan. In der Versuchsanordnung von “Geächtet” versucht der Autor seinen eigenen Standort zu finden.

Für “Geächtet” hat der US-amerikanische Autor 2013 den Pulitzer-Preis bekommen. In Deutschland wird das Stück gleich an mehreren Bühnen gegeben und ist von “Theater heute” zum besten ausländischen Stück gekürt worden. Die österreichische Erstaufführung steht seit Dezember des vergangenen Jahres im Burgtheater auf dem Programm. Unbedingt sehenswert! (Jörg Bockow)

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Ruhrfestspiele unter dem Thema “Heimat”

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Recklinghausen – Die Vorbereitungen laufen bereits auf vollen Touren. Die Ruhrfestspiele in Recklinghausen warten in diesem Jahr einmal mehr  mit einem prallen Füllhorn an Premieren und Veranstaltungen auf. In diesem Jahr präsentieren die Ruhrfestspiele insgesamt 111 Produktionen in 298 Veranstaltungen und 19 Spielstätten. Vom 1. Mai bis 17. Juni 2018 nehmen die Ruhrfestspiele das Thema „Heimat“ in den Fokus, ein Begriff, der für Vertrautes steht und doch anfällig ist für Brüche, Risse, Vereinnahmung.

“Heimat” ist das Motto der letzten Spielzeit des amtierenden Spielleiters Dr. Frank Hoffmann – Foto: Ruhrfestspiele

Gegenwärtig wird das Thema “Heimat” wieder heiß diskutiert, mitunter auch politisch instrumentalisiert und zur eigenen Abgrenzung missbraucht. Dem möchten die Ruhrfestspiele mit ihrem Spielzeitprogramm 2018 etwas entgegensetzen. Dabei werfen Werke von Hauptmann über Brecht und Dürrenmatt bis hin zu zeitgenössischen Autoren wie Michael Ojake und Konstantin Küspert hochaktuelle Fragen zu den Themen Herkunft und Identität, Heimat und Flucht auf.

2018 präsentieren die Ruhrfestspiele insgesamt 111 Produktionen in 298 Veranstaltungen und 19 Spielstätten. Das Festspielhaus in Recklinghausen – Foto: Torsten Janfeld 

Als Eröffnungsproduktion präsentieren die Ruhrfestspiele in Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater Dürrenmatts tragische Komödie über eine folgenschwere Rückkehr in die Heimat: „Der Besuch der alten Dame“ in einer Inszenierung von Intendant Frank Hoffmann. In den folgenden sechs Festivalwochen nähern sich die Ruhrfestspiele dem auf unterschiedlichste Weise assoziierten Begriff „Heimat“: ob in seiner Bedeutung als Herkunfts- und Wohnort, als subjektives Gefühl, als prägender Teil der eigenen Identität, als gemeinschaftsstiftendes, aber genauso ausgrenzendes Element. Ebenso thematisiert werden der Verlust von Heimat, Vertreibung und Flucht und die Suche nach einem neuen Zuhause.

Zur Eröffnmung der diesjährigen Ruhrfestspiele gibt es de Premiere von “Der Besuch der alten Dame” mit Maria Happel – Foto: Reinhard Werner 

Auch eine einschneidende Zäsur in der Heimat der Ruhrfestspiele, dem Ruhrgebiet, steht im Zentrum der Spielzeit 2018: das Ende des Steinkohlebergbaus. Damit endet eine Ära, die die Menschen im Revier ebenso wie das Festival maßgeblich geprägt hat. Anhand von Musiktheater-, Artistik- und Tanzproduktionen, Straßentheater, Konzerten sowie einem zweitägigen Forum werden die Geschichte und Bedeutung des Kohlebergbaus künstlerisch beleuchtet. So greift der Dramatiker Albert Ostermaier in „Die verlorene Oper. Ruhrepos“ das avantgardistische Projekt von Bert Brecht und Kurt Weill aus den 20er Jahren auf und entwickelt es weiter: zu einem visionären Werk über und für das Ruhrgebiet, das der isländische Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson als außergewöhnliches Musiktheater auf die Bühne bringt.

In zwei weiteren bemerkenswerten Musikproduktionen geben zwei Hollywood-Größen den Ton an. Der US-amerikanische Schauspieler John Malkovich schlüpft in „The Music Critic“ in die Rolle des Kritikers und zitiert bitterböse Fehlurteile und Schmähungen über einige der bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. In „New Worlds“ bieten sich HollywoodDarsteller Bill Murray und Starcellist Jan Vogler einen spannenden Schlagabtausch zwischen großer Musik und großer Literatur von Hemingway über Whitman bis Twain.

Darüber hinaus zeigen vom 22. Mai bis 16. Juni 2018 die internationalen Künstler und Ensembles des FRiNGE Festivals in Recklinghausen spannende Performances von Schauspiel und Tanz über Zirkus und Akrobatik bis hin zu Figurentheater und Musik. Zum Bergfest am 2. Juni findet erstmals ein FRiNGEFEST für Künstler und Publikum statt.

Mit dem Abschluss-Doppelkonzert der Ruhrfestspiele mit Leslie Clio und 2raumwohnung am 16. Juni und einer Abschiedsgala am 17. Juni 2018 verabschiedet sich Intendant Frank Hoffmann nach 14 erfolgreichen Jahren von den Ruhrfestspielen. Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG, die die Ruhrfestspiele in den vergangenen elf Jahren als Hauptsponsor begleitet hat, erklärt: „In seinem 14. und letzten Jahr als Hausherr auf dem Grünen Hügel in Recklinghausen ist Frank Hoffmann noch einmal ein eindrucksvolles Programm geglückt. Man wird sich an seine Intendanz erinnern als an eine Ära, in der es den Ruhrfestspielen, begleitet von großem Erfolg beim Publikum, gelungen ist, die Verpflichtung auf ihre einzigartige Gründungsgeschichte mit dem Anspruch auf internationale Strahlkraft zu verbinden.“

Der Kartenvorverkauf startet am 25. Januar 2018 um 9.00 Uhr.

Tickets: Kartenstelle der Ruhrfestspiele, Martinistr. 28, 45657 Recklinghausen

Telefon 0 23 61 – 92 18 0

E-Mail: kartenstelle@ruhrfestspiele.de

Hotline-Zeiten (Tel. 02361 / 9218 – 0): vom 25.01. bis 10.02.2018: Mo. – Sa. 9.00 – 19.00 Uhr, So. 12.00 – 19.00 Uhr vom 11.02. bis 17.06.2018: Mo. – Fr. 9.00 – 19.00 Uhr, Sa. 10.00 – 14.00 Uhr

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Ruhrfestspiele 2019: Poesie und Politik

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Recklinghausen – Unter dem Motto „Poesie und Politik“ hat der neue Intendant der Ruhrfestspiele, Olaf Kröck, gerade das Programm der Ruhrfestspiele 2019 vorgestellt. Die erste Festspielsaison berührt in diesem Spannungsfeld eine Vielzahl von Themen wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen, Abschottungsfantasien in Europa, romantische Sehnsüchte nach Lebendigkeit im Spätkapitalismus und Strukturen des Populismus.

Am 1. Mai starten die Ruhrfestspiele 2019 – obwohl in diesem Jahr eine Woche kürzer als sonst gibt es ein pralles Programm mit vielen neuen Akzenten – Foto: Ruhrfestspiele

90 Produktionen mit rund 210 Veranstaltungen, davon drei Eigenproduktionen, eine Uraufführung, sieben Deutschlandpremieren und eine Kunstausstellung werden zwischen dem 1. Mai und dem 9. Juni im Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen und in zahlreichen weiteren Spielstätten, u. a. in der Halle König Ludwig 1/2, im Theater Marl, in der Recklinghäuser Innenstadt und in der Christuskirche zu sehen sein.

Tanzabend “Beytna” – Foto: D. Matvejev

Beteiligt sind mehr als 850 Künstlerinnen und Künstler aus rund 16 verschiedenen Ländern, darunter Namibia, dem Libanon, Israel, Indien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Griechenland und der Ukraine.

Zu den Höhepunkten des Festivals gehören die Eigenproduktion „What Is the City but the People?“, die nach einer Idee des renommierten Konzeptkünstlers und Turner-Preisträgers Jeremy Deller für das Manchester International Festival konzipiert wurde, die Deutschlandpremieren von Peters Brooks „The Prisoner“ und Ivo van Hoves „Ein wenig Leben“, nach dem Roman von Hanya Yanagihara, und die beiden Tanzarbeiten „Grand Finale“ von Hofesh Shechter und „The Great Tamer“ von Dimitris Papaioannou. Zudem gibt es eine neue Reihe im Bereich Literatur: Die Ruhrfestspiele haben an drei Abenden drei Gäste zum Gespräch mit dem Literaturkritiker und Moderator Denis Scheck eingeladen. Es sind drei Jahrhundertbiografien: Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, außerdem Autor und Filmemacher Georg Stefan Troller und der amerikanische Anwalt und Autor Louis Begley. Als Eigenproduktion präsentieren die Ruhrfestspiele zudem den Abend „Hüller trifft Hauschka“ der beiden oscarnominierten Künstler Sandra Hüller und Volker Bertelmann alias Hauschka.

“Ein wenig Leben” – Foto: Jan Versweyveld

Das Eröffnungswochenende der Ruhrfestspiele präsentiert ein Kaleidoskop aus Kulturvolksfest, Tanz, Theater, Bildender Kunst, Lesung, Konzert, Gespräch und Feier. Nach dem Kulturvolksfest am 1. Mai folgt die feierliche Eröffnung der Ruhrfestspiele 2019 am 3. Mai im Großen Haus des Ruhrfestspielhauses. Die Eröffnungsrede wird die 1980 in Greifswald geborene Judith Schalansky halten. Ihr Werk, darunter der international erfolgreiche Beststeller „Atlas der abgelegenen Inseln“, der Roman „Der Hals der Giraffe“ und „Verzeichnis einiger Verluste“, ist in mehr als 20 Sprachen übersetzt und wurde vielfach ausgezeichnet. Die Eröffnungsinszenierung direkt im Anschluss ist der internationale Tanzabend „Beytna“ des Maqamat Dance Theatre Lebanon.

Tanzabend “Beytna” – Foto: Caroline Minjolle

Am 4. Mai geht es in die Recklinghäuser Innenstadt, wo 100 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Recklinghausen in „What Is the City but the People?“ ihre ganz eigenen Lebensgeschichten auf einem Laufsteg inmitten der Innenstadt präsentieren – ein lebendiges, berührendes Selbstportrait der Ruhrfestspielstadt Recklinghausen. Am gleichen Abend folgt die Uraufführung von „Das Heerlager der Heiligen“ nach Jean Raspail in der Regie von Hermann Schmidt-Rahmer, koproduziert mit dem Schauspiel Frankfurt. Die Vernissage von „Temp EST“ der israelischen Künstlerin Penny Hes Yassour in der Kunsthalle Recklinghausen am Folgetag (5. Mai) ist eine Installation auf mehreren Etagen über Grenzen und Grenzziehungen zwischen Ländern, Menschen und Kulturen. Außerdem präsentieren die Ruhrfestspiele an diesem Tag die Lesung von John Bergers „Einst in Europa“ von Lina Beckmann und Charly Hübner und am Abend zur Eröffnung des Festspielzeltes im Stadtgarten das Konzert „Roses“ der legendären ukrainischen Band Dakh Daughters. Höhepunkt und Abschluss des Eröffnungsreigens ist am 6. Mai das Gespräch der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller mit dem Literaturkritiker und Moderator Denis Scheck im Großen Haus des Festspielhauses.

Der Kartenvorverkauf für die Ruhrfestspiele 2019 beginnt am Freitag, 1. Februar, um 9:00 Uhr.

Schauspiel – Der leere Raum

„Ich kann jeden leeren Raum nehmen und ihn eine nackte Bühne nennen. Ein Mann geht durch den Raum, während ihm ein anderer zusieht; das ist alles, was zur Theaterhandlung notwendig ist.“ So lauten die ersten Sätze des wegweisenden Theatermanifests „Der leere Raum“ von dem großen britischen Theaterregisseur Peter Brook. Die Ruhrfestspiele zeigen die neueste Inszenierung aus seinem legendären Pariser Théâtre des Bouffes du Nord als Deutschlandpremiere. „The Prisoner“ von Peter Brook und Marie-Hélène Estienne ist noch einmal in aller Einfachheit und Klarheit ein schlagendes Beispiel seiner einzigartigen Theaterkunst.

Produktion “The great Tamer” – Foto: Julian Mommert

Die Ruhrfestspiele möchten in ihrer Festspiel-Saison 2019 an Heiner Müller erinnern: an die Kraft seiner Texte und Gedanken in der Lesung „Für alle reicht es nicht“, gelesen von dem Schauspieler Milan Peschel, und mit Heiner Müllers legendärer Inszenierung von Bertolt Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ mit Martin Wuttke in der Titelrolle. Vor 24 Jahren, im Juni 1995, war die umjubelte Premiere im Berliner Ensemble. Über 400 Mal ist die Aufführung seitdem in der ganzen Welt gezeigt worden. Die Inszenierung ist ein Meilenstein politischen Theaters und heute thematisch aktueller denn je.

Peter Brook und Heiner Müller bilden die beiden Pole, zwischen denen sich das weitere Programm entfaltet: Gezeigt werden wichtige junge Regiehandschriften, neue Formen politischen Theaters, international bedeutende Produktionen, Schauspielerfeste und partizipative Formate zwischen Bildender Kunst und Theater. Mit der Deutschlandpremiere von Ivo van Hoves international beachteter Amsterdamer Inszenierung des Bestsellers „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara stellt das Festival einen der führenden internationalen Regisseure bei den Ruhrfestspielen vor. Als Uraufführung wird Hermann Schmidt-Rahmer Jean Rapails „Das Heerlager der Heiligen“ in Koproduktion mit dem Schauspiel Frankfurt aufführen.

In Karin Beiers Inszenierung von Albees modernem Klassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ spielen Maria Schrader und Devid Striesow die Hauptrollen in der abgründigen Ehehölle. Der Abend „Istanbul“ der jungen türkeistämmigen Regisseurin Selen Kara lässt verschiedene Kulturen auf der Suche nach Glück, Heimat und Liebe einander begegnen, indem die Frage durchgespielt wird, was gewesen wäre, wenn das Wirtschaftswunder nicht in Deutschland, sondern in der Türkei stattgefunden hätte. Die Ruhrfestspiele zeigen zudem in Koproduktion mit dem Berliner Ensemble die Premiere von „Max und Moritz. Eine Bösebubengeschichte für Erwachsene“ in der Inszenierung von Antú Romero Nunes. Die Uraufführung von „Hochdeutschland“ von Alexander Schimmelbusch, dem „Buch der Stunde“, in der Inszenierung von Christopher Rüping von den Münchner Kammerspielen, beschäftigt sich mit den Sehnsüchten der deutschen Seele im Spätkapitalismus und dem irritierenden und verführenden Phänomen populistischer Bewegungen heute. Und nicht zuletzt – und damit schließt sich der Kreis zu Peter Brook und Heiner Müller – zeigen die Ruhrfestspiele 2019 mit drei Inszenierungen eine Werkschau des Regisseurs Roberto Ciulli.

Tanz – In Bewegung

Neben der Eröffnung mit Omar Rajehs „Beytna“ zeigen die Ruhrfestspiele 2019 vier weitere internationale Arbeiten im Bereich Tanz, die alle in der einen oder anderen Weise durch die große Choreografin Pina Bausch geprägt sind. Einer der Künstler, den das Tanztheater von Pina Bausch sichtbar beeinflusst hat, ist der griechische Choreograf Dimitris Papaioannou, der seit einigen Jahren zu den Shootingstars des internationalen Tanzes gehört. Seine Produktion „The Great Tamer“ entwickelt das Konzept eines erzählenden Theaters durch Bewegung ohne Sprache für die Gegenwart weiter. Eng verbunden mit Pina Bausch ist bis heute die Folkwang Universität der Künste, an der die Choreografin selbst in den 1950er Jahren ihre Tanzausbildung erhielt.

Bis heute gehört die Essener Tanzausbildung zu den besten des Landes. In dem Doppelabend „wilderness tender / Auftaucher“ der Choreografinnen Stephanie Miracle und Henrietta Horn zeigen Absolvent*innen des Studiengangs Tanz ihr Talent. Der aus Israel stammende Choreograf, Tänzer und Musiker Hofesh Shechter ist einer der zurzeit gefragtesten internationalen Künstler des zeitgenössischen Tanzes. Die Ruhrfestspiele zeigen seine neuste Arbeit „Grand Finale“. Zu den wichtigen Vertreterinnen des neuen zeitgenössischen Tanzes gehört auch die Regisseurin Monika Gintersdorfer. Gemeinsam mit dem ivorischen Tänzer Gadoukou la Star analysiert sie mit ihrem neuen Ensemble La Fleur den Tanz selbst. Die Ruhrfestspiele präsentieren die Deutschlandpremiere der neusten Arbeit „Das Jetzt-Stück n° 11 – Massiv inspiriert in Paris“, die zeigt, wie der Mix von Tanz- und Musik-Stilen aus Afrika und Europa zu einem wichtigen Mittel der Selbstvergewisserung junger Menschen wird.
Literatur – Von der Welt erzählen

Für die Ruhrfestspiele spielt das Buch, die Literatur traditionell eine wesentliche Rolle. Und so wird es auch in diesem Jahr weitergehen. Die Ruhrfestspiele möchten 2019 ganz bewusst Menschen zu Wort kommen lassen, die auf ein langes Leben voller historischer Umbrüche zurückschauen können, um ihren Erfahrungen ein Ohr schenken zu können. Zudem gibt es eine neue Reihe im Bereich Literatur. Die Ruhrfestspiele haben an drei Abenden drei Gäste zum Gespräch mit dem Literaturkritiker und Moderator Denis Scheck eingeladen. Es sind drei Jahrhundertbiografien: Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller kommt aus Berlin, der 97-jährige Autor und Filmemacher Georg Stefan Troller kommt aus Paris und der große amerikanische Anwalt und Autor Louis Begley kommt aus New York zu den Ruhrfestspielen. Im Gespräch mit Denis Scheck werden ihre ganz besonderen Perspektiven auf unsere Geschichte und unsere Gegenwart zu erleben sein.

Neben dieser neuen Reihe setzen die Ruhrfestspiele die Lesungen mit Schauspieler*innen fort: Milan Peschel liest unter dem Titel „Für alle reicht es nicht“ begleitend zu Heiner Müllers Inszenierung von Bertolt Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ Texte von Heiner Müller. Lina Beckmann und Charly Hübner lesen gemeinsam „Einst in Europa“ – die vielleicht schönste Liebesgeschichte des großen Schriftstellers, Malers, Kunstkritikers und Denkers John Berger. Caroline Peters liest aus „Malina“, dem einzigen vollendeten Roman von Ingeborg Bachmann.

Wolfram Koch liest frühe Erzählungen Anton Tschechows, Dietmar Bär „Eine Rebellion“ von Joseph Roth. Die vielfach ausgezeichnete TV-Moderatorin Dunja Hayali, gebürtige Westfälin aus irakisch-christlichem Elternhaus, stellt ihr aktuelles Buch „Haymatland“ im Gespräch mit dem Intendanten Olaf Kröck vor. Und die beiden Schauspieler Christine Sommer und Martin Brambach zeigen Erich Kästners Großstadtroman „Der Gang vor die Hunde“ als szenische Lesung mit Musik. Außerdem präsentieren die Ruhrfestspiele zusammen mit WortLautRuhr einen „Best of Poetry Slam“, moderiert von Jan Philipp Zymny. Und in Zusammenarbeit mit dem renommierten Schweizer Magazin „Reportagen“ bieten die Ruhrfestspiele an vier Sonntagnachmittagen „Reportagen Live – Weltgeschehen im Kleinformat“, bei denen ausgewählte Reporter*innen ihre Geschichten vortragen und von ihren Recherchen berichten.
#jungeszene – Jenseits der Grenzen

Die Ruhrfestspiele wollen Arbeiten jüngerer Theatermacher*innen, die jenseits von traditionellen Erzählweisen und herkömmlichen Figurenkonstruktionen, von repräsentativen Theaterarchitekturen und dem klassischen Literaturtheaterkanon neue Wege gehen, und neue Inhalte und Formen suchen, mehr Raum geben. #jungeszene ist daher ein neuer Schwerpunkt innerhalb des Programms der Ruhrfestspiele.

„OWELA“ ist ein Festival im Festival, gefördert im Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes. Das namibische Kaleni Kollectiv stellt darin die Frage nach der Zukunft der Arbeit. Für die Ruhrfestspiele entwickeln die acht Künstler*innen zwischen Deutschland und Namibia einen Raum für eigenständige Perspektiven. Zusammen mit Initiativen und Aktivist*innen aus Windhoek entstehen Performances, Choreografien, Installationen, Filme und Inszenierungen.

Außerdem präsentieren die Ruhrfestspiele im Rahmen von #jungeszene die Deutschlandpremiere des jungen, indischen Theatermachers Abhishek Thapar „My Life at the Intersection / Mein Leben an der Kreuzung“, einen berührenden Abend neuen theatralen Erzählens über die Frage nach Heimat, Herkunft, Familie und die Bedeutung der Geschichte für das eigene Leben. Das libanesisch-französische Collectif Kahraba begibt sich in der Arbeit „Origin of a Tale“ auf eine Reise zum Ursprung des Erzählens mit Lehm. Direkt vor den Augen des Publikums wird die Erzählung zum Leben erweckt. In ihrer Arbeit, die für die ganze Familie geeignet ist, verbindet sich Figurentheater mit Bildhauerei, Bewegung mit Malerei und Musik. Zu Gast ist zudem das Performancekollektiv Henrike Iglesias mit seiner neusten Arbeit „Fressen“.
Neuer Zirkus – Kreatives Chaos in Bestform

Die stark körperliche, visuelle, internationale Sprache des Neuen Zirkus ist kultur- und generationsübergreifend. Dieser Aspekt wurde von den Ruhrfestspielen im Rahmen des FRiNGE Festivals in den letzten Jahren immer wieder aktiv gelebt und wird ab der Saison 2019 unter dem Begriff „Neuer Zirkus“ weitergeführt. Zu Gast sind in dieser Saison acht international führende Gruppen und Kompagnien dieses Genres. Als Deutschlandpremiere präsentieren die Ruhrfestspiele „Boutelis“ der Compagnie Lapsus aus Frankreich, die zu den Vorreitern des Genres zählen, und „Oh Oh“ der Schweizer Compagnia Baccalà, die bereits 2015 mit ihrer Show „PSS PSS“ begeisterten.

Poyo Rojo aus Argentinien kommen mit einer Show, die in einer wilden Mischung aus Tanz und Kampfsport bestimmte Männlichkeitsbilder dekonstruieren, zu den Ruhrfestspielen. Und in der Produktion „Raven“ beleuchten die Berliner Künstlerinnen still hungry klug ihre Erfahrungen als Artistinnen und Mütter. Im Festspielzelt bringt die mexikanische Clownin Gabriela Muñoz in „Perhaps, Perhaps… Quizás“ mit ihrer Suche nach Mr. Right ihr Publikum zum Lachen und auch zum Weinen. „inTarsi“ der Compañía de Circo „eia“ aus Spanien präsentiert akrobatische Höchstleistungen. Dafür brauchen sie nicht mehr als eine zerlegbare Holzscheibe, die in immer neuen Konstellationen auseinander- und zusammengebaut wird. Die Compagnie Galapiat aus Frankreich geht mit „Parasites“ an die Grenzen des Zirkus. Ihr Zirkusgedicht zeigt eine postapokalyptische Welt, in der die Akteure buchstäblich Beton durchbrechen. Zur Woche des Sports präsentieren die Ruhrfestspiele zudem mit „Driftwood“ von Casus Circus einen der Lieblinge der vielseitigen australischen Szene für Neuen Zirkus.

Spielorte des Neuen Zirkus sind 2019 neben dem Festspielzelt das Theater Marl, das Kleine Haus im Ruhrfestspielhaus und die Halle König Ludwig 1/2.

Kinder- und Jugendtheater – Eine Frage der Zukunft

Die Ruhrfestspiele bauen den Bereich Kinder- und Jugendtheater unter der Intendanz von Olaf Kröck aus. In der Festspielzeit 2019 werden zehn Theater mit ihren Arbeiten zu Gast sein, die in diesem Genre als wegweisend gelten. Dazu gehört das renommierte Berliner GRIPS Theater, das mit seiner neuen Produktion „Dschabber“ von Marcus Youssef in der Regie von Jochen Strauch zu Gast sein wird. Zudem präsentieren die Ruhrfestspiele in diesem Jahr die mit dem FAUST-Theaterpreis ausgezeichnete Arbeit „Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus“ in der Regie von Martina van Boxen und die neueste Regie von FAUST-Preisträgerin Brigitte Dethier, „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse des Jungen Ensembles Stuttgart. Weitere Arbeiten werden zudem u. a. vom Jungen Nationaltheater Mannheim zu Gast sein („Pinocchio“) und die bekannte Performacegruppe Showcase Beat Le Mot hat für Kinder Grimms „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ entwickelt, koproduziert u. a. mit dem Deutschen Theater Berlin. Außerdem ist das Musa! Ensemble unter der Leitung von Andrea Apostoli mit seinem Krabbelkonzert zu Gast bei den Ruhrfestspielen. Die diesjährige mobile Produktion in Zusammenarbeit mit innogy SE ist ein szenisches Live-Hörspiel nach Otfried Preußlers „Der kleine Wassermann“.

Die Ruhrfestspiele möchten auch unter neuer Leitung an die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Kindergärten, Jugendgruppen, Schulklassen, Kursen und Seminaren der Region anknüpfen und sie erweitern. Zur Unterstützung von Alois Banneyer wird während der Festspiele die erfahrene Theaterpädagogin Franziska Rieckhoff das Team um theaterpraktische Angebote unterstützen. Außerdem steht Dramaturgin Monika Gies-Hasmann als Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um das Kinder- und Jugendprogramm zur Verfügung. Neu im Angebot sind zahlreiche Vor- und Nachbereitungen, sowie Angebote zum Mitmachen wie Workshops und Clubs sowohl für Kinder und Schüler*innen als auch für Kindergärtner*innen, Lehrer*innen und Gruppenleiter-*innen.
Musik, Kabarett, Dialog

Die Ruhrfestspiele bieten in ihrer Saison 2019 zahlreiche weitere Programmpunkte an. Neben der Eigenproduktion „Hüller trifft Hauschka“ liegt der musikalische Akzent 2019 im Bereich der vokalen Musik. Zu Gast sind u. a. die renommierte Vocalband SLIXS, außerdem Humanophones und Sjaella. Außerdem wird Nikko Weidemann, der für seine Filmkomposition zu „Babylon Berlin“ 2018 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, sein neues Programm „Ich seh Monster“ zur Uraufführung bringen. Die Neue Philharmonie Westfalen spielt ein Sinfoniekonzert mit dem Titel „Skandale!!“ mit Werken von Richard Wagner, Alban Berg und Anton Bruckner, außerdem findet das diesjährige Frühjahrskonzert der NPW zusammen mit dem Städtischen Chor Recklinghausen im Rahmen der Ruhrfestspiele statt. Geplant sind zudem Konzerte in der Sparkasse Vest (u. a. mit dem Rosani Reis Familientrio) und der Sparkassen-Clubraum No. 4 zeigt eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen.
Im Bereich Kabarett sind u. a. Sven Pistor, STORNO und Wladimir Kaminer zu Gast.

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Recklinghausen: Ruhrfestspiele 2019 beginnen

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Recklinghausen – Am 1. Mai starten die Ruhrfestspiele in die erste Saison des neuen Intendanten Olaf Kröck. Im Rahmen eines Pressegesprächs wurden heute die Programmpunkte des Eröffnungswochenendes und die Highlights der Festspielsaison 2019 vorgestellt.

Wer hat Angst vor Virginia Woolf? von Edward Albee – Regie: Karin Beier- Foto: Arno Declair

Olaf Kröck: „Gegründet aus einer direkten Geste der Solidarität sind die Ruhrfestspiele bis heute ein außergewöhnliches Festival. Die Festspiele erreichen eine große Zuschauerschaft durch ein vielfältiges Programm und sind zugleich ein Kunst-Fest von internationaler Strahlkraft. Nach Ende des Steinkohlenbergbaus ist nicht nur die Ruhr-Region im Aufbruch, auch die Ruhrfestspiele wollen sich weiterentwickeln. Das kann nur gelingen, wenn wir uns den Themen stellen, die die Lebenswirklichkeit betreffen. Wir wollen sie in einem europäischen Kontext im Theater verhandeln. Dazu gehört sowohl der Blick in die Vergangenheit, sowie das Ausloten aktueller Themen mit Relevanz für unsere Zukunft. Daher stellen wir unsere erste Festspielausgabe in ein Spannungsverhältnis von Poesie und Politik.“

Istanbul: Ensemble – Ein Sezen Aksu-Liederabend von Selen Kara, Torsten Kindermann
und Akın E. Sipal – Foto:  Diana Küster

Unter diesem Motto berührt die erste Festspielsaison eine Vielzahl von Themen wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen, Abschottungsfantasien in Europa, romantische Sehnsüchte nach Lebendigkeit im Spätkapitalismus und Strukturen des Populismus. 90 Produktionen mit rund 210 Veranstaltungen, davon drei Eigenproduktionen, eine Uraufführung, sieben Deutschlandpremieren und eine Kunstausstellung werden zwischen dem 1. Mai und 9. Juni im Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen und in zahlreichen weiteren Spielstätten, u. a. in der Halle König Ludwig 1/2, im Theater Marl, in der Recklinghäuser Innenstadt und in der Christuskirche zu sehen sein. Beteiligt sind mehr als 850 Künstlerinnen und Künstler aus rund 16 verschiedenen Ländern, darunter Namibia, dem Libanon, Israel, Indien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Griechenland und der Ukraine.

Aturo Ui: Berliner Ensemble mit Martin Wuttke – Foto: Barbara Braun

Das Eröffnungswochenende der Ruhrfestspiele präsentiert ein Kaleidoskop aus Kulturvolksfest, Tanz, Theater, Bildender Kunst, Lesung, Konzert, Gespräch und Feier. Nach dem Kulturvolksfest am 1. Mai folgt die feierliche Eröffnung der Ruhrfestspiele 2019 am 3. Mai im Großen Haus des Ruhrfestspielhauses. Die Eröffnungsrede wird die 1980 in Greifswald geborene Judith Schalansky halten. Ihr Werk, darunter die international erfolgreichen Beststeller „Atlas der abgelegenen Inseln“, „Der Hals der Giraffe“ und zuletzt „Verzeichnis einiger Verluste“, ist in mehr als 20 Sprachen übersetzt und wurde vielfach ausgezeichnet. Die Eröffnungsinszenierung direkt im Anschluss ist der internationale Tanzabend „Beytna“ des Maqamat Dance Theatre Lebanon.

Beytna – Foto: D. Matvejev

Am 4. Mai geht es in die Recklinghäuser Innenstadt, wo 100 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Recklinghausen in „What Is the City but the People?“ ihre ganz eigenen Lebensgeschichten auf einem Laufsteg inmitten der Innenstadt präsentieren – ein lebendiges, berührendes Selbstportrait der Ruhrfestspielstadt Recklinghausen. Am Abend folgt die Uraufführung von „Das Heerlager der Heiligen“ nach Jean Raspail in der Regie von Hermann Schmidt-Rahmer, koproduziert mit dem Schauspiel Frankfurt. Die Vernissage von „Temp EST“ der israelischen Künstlerin Penny Hes Yassour in der Kunsthalle Recklinghausen am Folgetag (5. Mai) ist eine Installation auf mehreren Etagen über Grenzen und Grenzziehungen zwischen Ländern, Menschen und Kulturen. Außerdem präsentieren die Ruhrfestspiele an diesem Tag die Lesung von John Bergers „Einst in Europa“ von Lina Beckmann und Charly Hübner und am Abend zur Eröffnung des Festspielzeltes im Stadtgarten das Konzert „Roses“ der legendären ukrainischen Band Dakh Daughters. Ein weiterer Höhepunkt und zugleich Abschluss des Eröffnungsreigens ist am 6. Mai das Gespräch der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller mit dem Literaturkritiker und Moderator Denis Scheck im Großen Haus des Festspielhauses.

The Great Tamer – Foto: Julian Mommert

Zu den weiteren Höhepunkten des Festivals gehören die Deutschlandpremieren von Peters Brooks „The Prisoner“ und Ivo van Hoves „Ein wenig Leben“, nach dem Roman von Hanya Yanagihara, und die beiden Tanzarbeiten „Grand Finale“ von Hofesh Shechter und „The Great Tamer“ von Dimitris Papaioannou. Zudem gibt es eine neue Reihe im Bereich Literatur: Die Ruhrfestspiele haben an drei Abenden drei Gäste zum Gespräch mit dem Literaturkritiker und Moderator Denis Scheck eingeladen. Es sind drei Jahrhundertbiografien: Neben Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller werden außerdem Autor und Filmemacher Georg Stefan Troller und der amerikanische Anwalt und Autor Louis Begley nach Recklinghausen kommen. Als Eigenproduktion präsentieren die Ruhrfestspiele zudem den Abend „Hüller trifft Hauschka“ der beiden oscarnominierten Künstler Sandra Hüller und Volker Bertelmann alias Hauschka.

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Essen, Trinken, Tanzen – ein Fest der Kulturen

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Recklinghausen – Das diesjährige Programm der Ruhrfestspiele in Recklinghausen ist mit einem sinnenfrohen und fröhlichen Spektakel gestartet: „Beytna“ ist ein ungewohnt exotisches Tanztheater und eine Performance von Omar Rajeh und seiner arabischen Compagnie. In den letzten 20 Minuten des Stückes schlendern die meisten der Zuschauer im gleißenden Scheinwerferlicht beschwingt über die Bühne und kosten neugierig vom arabischen Eintopf mit Bohnen, gemischten Salat und Fladenbrot, die während der Performance vor den Augen des Publikums als ein Mahl zubereitet worden sind. Wer mag kann dazu auch an einem typischen Anisschnaps nippen. Mitten im Publikum geht die Tanzperformance weiter bis am Ende des Stückes frenetischer Applaus aufbrandet, der einfach nicht enden will. Die Zuschauer sind mitgerissen von der kraftvollen Choreographie. „Beytna“ ist eine tolle Performance, bei dem der Funke von den Akteuren auf die Zuschauer überspringt.

Tanztheater “Beytna” – Foto: Caroline Minjolle

„Beytna“ – so nennt man im Libanon die Einladung, als Gast zu jemandem nach Hause zu kommen. Der Abend des aus Beirut stammenden Tänzers und Choreografen Omar Rajeh ist eine solche Einladung: Er ist ein Fest, ein Ritual, eine Geste der Gastfreundschaft, die am Ende des Stückes auch die Zuschauer mit einschließt.

Langsam erobert der animierende Duft von exotischem Essen und arabischen Gewürzen den Zuschauerraum. Sitzreihe für Sitzreihe bis er schließlich sogar den Rang erklimmt. Eine ältere, rundliche Köchin mit Kopftuch steht an einem meterlangen Tisch und bereitet Fatouch zu, ein traditionelles Gericht der legendären Küche Libanons. Acht Männer stehen ihr zur Seite. Sie schnibbeln und schneiden Salat, Möhren und Zwiebeln, dass es eine helle Freude ist. Das frische Gemüse wird geputzt, geschält und geschnitten. Die Geräusche gelangen verstärkt über die Lausprecher zu den Zuschauern. Man kann sich lebhaft vorstellen und ausmalen, was da gerade unter dem Messer ist, geschnitten oder gehackt wird. Und ehe man sich versieht, regen sich Appetit und Hunger. Die Köchin murmelt ihre Anweisungen und Aufträge, die von den Männern ausgeführt werden.

“Beytna” – Foto: D. Matvejev

Plötzlich beginnen drei ihrer Helfer auf ihrer Laute, der Oud, zu spielen. Sie spielen traditionelle Melodien, die an diesem Abend immer wieder ihre kulturellen Bezüge und ihre Klangfarben ändern werden. Es sind vor allem arabische Klänge, rhythmisch, laut und zum Tanz animierend. Und dann beginnen die Übrigen, einer nach dem anderen, sich zu bewegen und zu tanzen; alleine, zu zweit, alle zusammen. Sie folgen einer aus traditionellen, arabischen Tänzen entwickelten Choreographie, bei der ungewöhnliche Bewegungen, bizarre Verrenkungen und stampfende Rhythmen im Vordergrund stehen. Man kann die unterschiedlichen Ethnien und Herkünfte der Tanzer erahnen. Es ist ein buntes Gemisch der Kulturen im Tanz vereint.

Omar Rajeh hat in „Beytna“ nicht einfach Tänzer um sich versammelt, die seine Choreografien nachvollziehen. Er hat vielmehr Kollegen zusammengerufen, die selber als Choreografen arbeiten. Er versucht, durch den Tanz diese je eigenen Persönlichkeiten, Künstler und Individualisten, die aus ganz verschiedenen Kulturen und Tanz-Traditionen stammen, zusammenzubringen, in dem jeder Einzelne seine tänzerische Sprache selbstbewusst neben der anderen behaupten kann.

„Beytna“ ist ein Abend über Begegnungen und das Zusammenleben ganz unterschiedlicher Gemeinschaften. Die kulturellen Unterschiede werden nicht kaschiert oder negiert, sie treffen aufeinander und agieren miteinander. Verschiedenheit wird hier ausgehalten und sichtbar gemacht als etwas Kostbares, Schönes und Wertvolles. Es ist der Stolz der Tänzer der sich eindrucksvoll vermittelt. Omar Rajeh ist einer der wichtigsten Vertreter des zeitgenössischen Tanzes im Libanon. Mit „Beytna“ brachte er seinem Maqamat Dance Theatre den großen internationalen Erfolg. Die Aufführung in Recklinghausen ist ein vielversprechender Auftakt für die diesjährigen Ruhrfestspiele – ein Versprechen!

Ruhrfestspiele Recklinghausen / Otto-Burrmeister-Allee 1 / 45657 Recklinghausen
Telefon 02361 – 9180
www.ruhrfestspiele.de

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Ruhrfestspiele: Eine bittere Wahrheit

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Recklinghausen – Die Geschichte der vier Freunde aus New York bewegt die Welt. Der 2015 erschienene Roman „Ein wenig Leben“ der US-amerikanischen Autorin Hanya Yanagihara ist ein Bestseller. In Amerika hat sich die Kritik förmlich überschlagen kaum war er erschienen. Jetzt ist bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen die Theaterfassung zu sehen. Regie und Konzept: Der belgische Meisterregisseur Ivo van Hove.

Seit 30 Jahren als Freunde vereint: “Ein wenig Leben” in der Regie von Ivo van Hove – Foto: Jan Versweyveld

Der Roman „Ein wenig Leben“ erzählt aufwühlend, wie groß und wie im Kern so bitter ein kleines Leben sein kann. Im Zentrum stehen die erschütternden Erfahrungen von Jude St. Francis, erfolgreicher und genialer Rechtsanwalt, der als Baby neben einer Mülltonne ausgesetzt wurde, von Mönchen aufgezogen, dort missbraucht, von einem der Patres entführt und anschließend von zahlreichen „Kunden“ und Liebhabern vergewaltigt und brutal misshandelt worden ist.

Jude St. Francis ist Rechtsanwalt brillant und erfolgreich und doch tief verletzt und gebrochen: “Ein wenig Leben” in der Regie von Ivo van Hove – Foto: Jan Versweyveld

Seine Freunde schaffen es kaum, ihn im Leben zu behalten. Ihre Freundschaft, Sorge und Liebe werden auf die härteste Probe gestellt. Mehrmals finden sie ihn nach immer heftiger werdenden Selbstverletzungen, in einer großen Blutlache und bringen ihn ins Krankenhaus. Doch ihm gelingt es nicht, sich ihnen anzuvertrauen und sie in die bittere Wahrheit seines Lebens einzuweihen. Was ihm dennoch bleibt und Hoffnung gibt, sind ihre Freundschaft und ihre unerschütterliche Liebe.

Ausgeblutet: Jude St. Francis ist nach einem Ritzversuch wieder zusammengebrochen: “Ein wenig Leben” in der Regie von Ivo van Hove – Foto: Jan Versweyveld

Der weltweit gefeierte und vielfach ausgezeichnete belgische Regisseur Ivo van Hove, Großmeister des epischen Erzählens, hat die Geschichte auf die Bühne gebracht. Es ist eine brillante, facettenreiche tour de force des Theaters: Ungeheuer empathisch und zugleich schnörkellos verdichtet, sensationell gespielt und meisterlich inszeniert. Ivo van Hove gelingt es, das Stück mit genialen Szenenwechseln und eine beinahe physischen Dichtheit in einem einzigen Bühnenraum umzusetzen. Zeit und Raum sind zu einem einzigen Kontinuum verschmolzen.

Vom Retter und Helfer missbraucht und vergewaltigt: “Ein wenig Leben” in der Regie von Ivo van Hove – Foto: Jan Versweyveld

„Ein wenig Leben“ ist auf mehreren Ebenen sinnlich erfahrbar. Lichtwechsel verändern die Szenerie, Videoeinspielungen, Stroboskopeffekte, subtile Geräuscheinspielungen, Musiksound, ja selbst Gerüche spielen eine Rolle und fügen sich zu einem kongenialen Gesamtkonzept. Der Musikscore wird von einem kleinen Orchester live eingespielt. Der Duft von frisch zubereitetem Essen wabert mitunter durch den Zuschauerraum, unterbrochen durch den würzigen Rauch von Zigaretten und wenn im Krankenhaus der Arzt die Wunden von Jude St. Francis versorgt, riecht es nach dem typischen Desinfektionsmittel und hochprozentigem Alkohol. Die Schauspieler agieren mit einer lakonischen Präsenz und lässigen Selbstverständlichkeit, die man so eigentlich nur aus amerikanischen Spielfilmen kennt – ganz ohne übertriebene Theatralik. Im Mittelpunkt des Bühnenbildes steht das offene Loft von Jude St. Francis mit einem Bad und seinem Waschbecken in der Mitte. Hier wird sich Jude St. Francis immer wieder mit Hilfe von Rasierklingen ritzen, um seine tiefen innerlichen, psychischen Verletzungen förmlich auszubluten.

Dabei fließt Blut, zugegebenermaßen viel Blut, literweise Theaterblut zum Glück. Dennoch war das Publikum von der Brutalität vieler Szenen und der exzessiven Gewalt stark aufgewühlt und tief erschüttert. Viele Zuschauer blieben nach der Pause weg, weil sie die Martern und Torturen des Hauptdarstellers tatsächlich nicht mehr ertragen konnten. Es ist geradezu schmerzhaft so intensiv mit Missbrauch und Vergewaltigung konfrontiert zu werden. Die Geschichte lässt den Zuschauer tatsächlich in unerträgliche Abgründe schauen.

Das sehenswerte Drama ist die Geschichte einer Freundschaft von vier Männern, der wir über einen Zeitraum von 30 Jahren folgen. Der Anwalt Jude, der Schauspieler Willem, der bildende Künstler JB und der Architekt Malcom lernen sich zu Beginn ihres Studiums kennen und bleiben, während sie in New York Karriere machen, eng miteinander verbunden. Die Geschichte wird in schnell wechselnden Perspektiven erzählt. Es sind Erinnerungen und Assoziationen, die sich mehr und mehr verdichten.

„Im Zentrum dieser Gruppe steht Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ein aufopfernd liebender, aber zugleich innerlich zerbrochener, verschlossener Mensch. Wie in ein schwarzes Loch werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten: sein Erlebnis sexuellen Missbrauchs. ‚Ein wenig Leben‘ ist zugleich realistisch und märchenhaft – ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Traumata, menschliche Güte, Erlösung und Freundschaft als wahre Liebe, dem man atemlos folgt. Es wagt sich an die dunkelsten Orte und bricht immer wieder durch zum Licht: zu Liebe, Schönheit und Hoffnung.“ (Programmheft)

“Ein wenig Leben”, eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen, ist ein Highlight im diesjährigen Festivalprogramm, aber eines das vom Zuschauer starke Nerven und Durchhaltevermögen verlangt. Es ist mit einer Pause über vier Stunden lang. (Jörg Bockow)

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Ruhrfestspiele: Lebenslüge mit Bourbon zerlegt

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Recklinghausen – So geht Theater! Die Ruhrfestspiele holen „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ aus dem Hamburger Schauspielhaus nach Recklinghausen. Es ist einer der vielen klugen Züge des neuen Intendanten Olaf Kröck, in diesem Jahr trotz eines stark reduzierten Budgets ein wundervolles Programm zu präsentieren. Allerdings gab es “Wer hat Angst vor Virginia Woolf” nur an zwei Abenden. Sie waren innerhalb kurzer Zeit komplett ausverkauft. Die Nachfrage nach Karten war so groß, dass man zwei, vielleicht drei zusätzliche Vorstellungen ohne Schwierigkeiten hätte füllen können. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an den beiden Abenden.

“Wer hat Angst vor Virginia Woolf?” von Edward Albee bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Regie: Karin Beier mit Maria Schrader, Josefine Israel, Matti Krause, Devid Striesow – Foto: Arno Declair

Die Inszenierung von Karin Beier wird seit Anfang des Jahres an der Waterkant gefeiert. Das hat sich im ganzen Land herumgesprochen. Nun reißen Devid Striesow und Maria Schrader den Ruhrpott aus den Sitzen. Mit frenetischem Applaus, Standing Ovations und vielen Bravorufe wird die überragende Schauspielerleistung gefeiert. Ein hinreißendes Gastspiel.

“Wer hat Angst vor Virginia Woolf?” von Edward Albee bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Regie: Karin Beier mit Maria Schrader, Josefine Israel, Matti Krause, Devid Striesow – Foto: Arno Declair

Die über zwei Stunden unter dem Einfluss mehrerer Flaschen Bourbon zerlegte Ehe zwischen Martha und George ist Schauspielertheater wie man es sich nur träumen kann. Regisseurin und Intendantin Karin Beier konzentriert sich ganz auf das Zusammentreffen der beiden Protagonisten, lässt sie vom ersten Moment an alle Register ziehen. Sie verzichtet ganz auf schmückendes Beiwerk, setzt auf Gesten und Körpersprache. Im Hintergrund der Bühne hinter mehreren Podesten ragt jener Baum gen Himmel, vor den der über Jahre imaginierte Sohn mit seinem Auto am Ende fahren und ums Leben kommen wird. Es ist das bitter-böse Ende jener Lebenslüge, die Martha und George zusammengehalten hat. Und vielleicht die Chance für einen Neubeginn.

Maria Schrader und Devid Striesow zelebrieren die Eheschlacht als einen Vulkanausbruch. In nur einer Nacht kommt es unten den Augen ihrer beiden Gäste Nick und Honey zum karthetischen Zusammenprall, in der alles auf den Tisch kommt, am Ende auch der über 20 Jahre versagte Kinderwunsch von Martha.

“Wer hat Angst vor Virginia Woolf?” von Edward Albee bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Regie: Karin Beier mit Maria Schrader, Josefine Israel, Matti Krause, Devid Striesow – Foto: Arno Declair

Es ist eine Höllenritt wie man ihn nur selten im Theater zu sehen bekommt. Träume und Illusionen, Wünsche, Hoffnung und Leidenschaften zerstieben unter einem grandiosen Funkenflug. Die Wortgefechte zwischen den Beiden sind tief verletzend, entlarvend und zugleich immer wieder voller Witz und Poesie. Mit jedem Glas Whiskey mehr werden Anschuldigungen und Angriffe zwischen Martha und George lauter und heftiger. Es wird geschrieen, gezetert, getobt, gebrüllt, geflucht, sogar geschossen und alles zertrümmert, was unter den Regeln des Anstand und in einer großen Lebenslüge gefangen bislang mühevoll zusammengehalten worden war. Es kommt sogar zu heftigen Handgreiflichkeiten und Rangeleien zwischen Martha und George. Keiner vergibt dem anderen etwas. Die Psychologie der beiden Hauptpersonen wird in allen Dimensionen ausgemessen. Die unfreiwilligen Zuschauer werden eingespannt und kommen förmlich unter die Räder.

„Zwar gibt es allerlei Wortgefechte, Beleidigungen, Tiefschläge, die ganze Bandbreite bürgerlichen Ehelebens – die faszinierende Kunst der beiden zunehmend alkoholisierten Protagonisten scheint aber gerade darin zu bestehen, Entwurf und Geschichte ihrer komplexen Beziehung ständig zu überarbeiten. Was dabei Fiktion ist und was Wirklichkeit, können nicht nur die beiden ahnungslosen Gäste Nick und Honey nicht entscheiden, auch die Zuschauer werden darüber im Unklaren gelassen. Konnte man in früheren Zeiten von einer öffentlichen Fassade und den dahinter lauernden Lebenslügen der Eheleute sprechen, verschwimmt hier diese Art Zuordnung völlig: Martha und George sind ein gut eingespieltes Team in einer so kreativen wie vitalen Ehe-Performance. Und ihre eigentlichen Feinde sind möglicherweise die Langeweile einer spießigen Provinz und die Angst vor dem Sterben.“ (Programmheft)

Noch einmal eine Chance? “Wer hat Angst vor Virginia Woolf?” von Edward Albee bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Regie: Karin Beier mit Maria Schrader, Josefine Israel, Matti Krause, Devid Striesow – Foto: Arno Declair

Es ist ein herrliches Vergnügen dieser wohlbekannten Ehekrise zuzuschauen und sich den Schauer über den Rücken rieseln zu lassen. Der ein oder andere wird sich sicherlich insgeheim beruhigend sagen, dass es bei sich zu Hause noch längst nicht so schlimm ist. Ablauf und Ende des Dramas sind wohlbekannt. „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ gehört seit Jahrzehnten zum Repertoire vieler Bühnen. Was Maria Schrader und Devid Striesow indes aus dem Stück machen, ist eine Sensation. Die Wortgefechte werden mit einer ungeheuren physischen Präsenz ausgelebt. Jede Geste stimmt, jede Bewegung der Körpersprache ist glaubwürdig und entspricht der jeweiligen Seelenverfassung unter dem Einfluss unzähliger Drinks und mehrerer Flaschen Bourbons. Nach einem solchen Abend mag man sich durchaus zufrieden noch ein Glas gönnen. (Jörg Bockow)

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Recklinghausen: Das Ende ist nah

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Recklinghausen – Das war kein Abend der leisen Töne: Der Tanzabend „Grand Finale“ des israelischen Choreografen Hofesh Shechter bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen imaginiert den nahenden Weltuntergang mit düsteren, geradezu schmerzenden Bildern und schier unglaublichen Szenen. Hofesh Shechter lässt dazu mit stampfenden Rhythmen, harten Beats, hämmernden Percussions und wummernden Bässen aus Subwoofern nicht nur die Puppen seines Ensembles tanzen, sondern attackiert das Publikum gleich mit, so als wolle er es mit schwerem Gerät wachrütteln.  Am Eingang werden vorsichtshalber Hörstöpsel ausgegeben, mit denen man seine Gehörgänge hätte schützen können.

Tanztheater “Grand Finale” von Hofesh Shechter  bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Rahi Rezvani

Das Publikum wird vom übermächtigen Sound förmlich in die Sitze gepresst. Der Musik-Score läuft über die volle Distanz auf höchstem Level was die Lautstärke und den atemlosen Rhythmus angeht. Musikkonserve und Live-Spiel wechseln sich ab, gehen kongenial in einander über und verschmelzen zu einem immer wieder überraschenden Sound. Arabische Tänze, Klezmerklänge und zum Schluss gar mit „Lippen schweigen“ aus Franz Léhars „Lustiger Witwe“ ein Walzer wechselten sich ab mit dem Soundteppich einer Techno-Disco mit seinen minutenlangen Schleifen. Mitunter sieht man sich in die Anfänge des Katastrophenfilms im Kino versetzt, wo einem in ähnlicher Weise, ob der tiefen Töne mit Sensurround-Effekt die Hosenbeine flatterten und das Augenwasser Wellen schlug.

Tanztheater “Grand Finale” von Hofesh Shechter bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Rahi Rezvani

„Grand Finale“  ist ein Danse Macabre: schwarz, pessimistisch, ja geradezu apokalyptisch. Das Ensemble tanzt in einem dunklen, nebelverhangenen Raum, indem es nur wenige Lichthöfe und dafür viel Schatten gibt. Beweglich Wände verändern den Raum, verdrängen die Tänzer oder bieten ihnen nur einen beengten Platz. Die massiven dunklen Raumteiler sind permanent in Bewegung, womit auch das kleine Orchester an mehreren Stellen auf der Bühne auftauchen kann und plötzlich wie von Zauberhand gesteuert wieder im Nebel verschwindet. Durch solche Taschenspielertricks wird die Bühne zu einem magischen Raum.

„Shechters Tanzabende sind Bild- und Klang-Explosionen, die mit roher Kraft über die Bühne fegen“, hatte das Programmheft angekündigt.  Wer mag kann sich mit der Choreographie auf Assoziationen einlassen von einer Welt, die vollkommen aus den Fugen geraten ist und am Abgrund steht: Die zerrissene Gesellschaften, Bürgerkriege, Flüchtlingsströme, Klimakatastrophe, Atomkrieg – der Weltenbrand. Alles wird irgendwie angespielt, bis am Ende gar Leichenberge auf der Bühne aufgeschichtet werden. Es sind starke, traumatisierende Bilder, die sich einem wie Schocks einbrennen und nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen. Die Tänzer richten wiederholt ihren Blick nach oben, gen Himmel, beschwören mit flehenden Händen die Gnade eines Gottes. Zeichen von Hoffnung gibt es bei aller Apokalypse auch – sehr kleine freilich. Ihre Botschaft: Nur wenn die Gemeinschaft wieder in Liebe, Vertrautheit und Zärtlichkeit zusammen findet, kann sie die aktuellen Krisen überwinden. Das ist nicht wirklich neu, wird aber bei Hofesh Shechter sehr innovativ vertanzt.

Tanztheater “Grand Finale” von Hofesh Shechter bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Rahi Rezvani

Das zehnköpfige Ensemble bewegt sich entfesselt in einem kollektiven Furor als wolle es der Partitur förmlich aus der Rille springen. Dabei folgen die Tänzerinnen und Tänzer  einer höchstpräzisen Gruppen-Choreografie, in der jeder Schritt und jede Geste, alle Bewegungen und Positionen vorgegeben ist. Phantastisch sind jene Passagen, in denen die Tänzerinnen als leblose Puppen am Boden liegen und von je einem Tänzer animiert und bewegt werden. Die Tänzerinnen lassen sich völlig schlaff und hingegeben  bewegen als wären sie tiefenentspannt oder mit K.O.-Tropfen völlig narkotisiert. Dadurch entstehen geschmeidige Bewegungen, zärtliche Begegnungen und  erstaunliche Tanzformationen.

Der in London lebende israelische Choreograf gilt als einer der wichtigsten und innovativsten Vertreter des zeitgenössischen Tanzes in Europa. Shechter begann nach einem Studium an der Jerusalem Academy of Music and Dance als Tänzer bei der Batsheva Dance Company in Tel Aviv. Bei ihm steht das Ensemble im Mittelpunkt, ihm haben sich die individuellen Talente seiner Tänzerinnen und Tänzer unterzuordnen. Der ursprünglich als Pianist und Schlagzeuger ausgebildete Künstler hat auch für sein neues Stück die Musik selbst entworfen und aus vielen Versatzstücken kompiliert. Sie wird von einer virtuosen und unglaublichen vielseitigen Liveband gespielt und von seinem Ensemble mit unbändiger Energie vertanzt.

Das Ensemble wirbelt in ebenso athletischer wie artistischer Weise über die Bühne, dass einem Hören und Sehen vergehen. Es ist pure Energie, die da auf der Bühne zu sehen ist. Das Zusammenspiel und die Synchronizität sind von überwältigender Präzision und funktionieren in einer atemberaubenden Übereinstimmung.

Das Ende ist nah: Die Tänzer haben den Tod, die Apokalypse vor Augen. Flucht und Kampf, Sterben und Wieder-Auferstehen sind die formgebenden Prinzipien dieses martialischen Totentanzes. Wir ahnen, die Hölle ist kein Ort der Stille. Aus mitunter ohrenbetäubendem Krach formt sich Musik, hoch emotional und mitreißend, romantisch bis kriegerisch mitunter so militärisch und mitreißend wie der Marsch, der zum Kampf ruft und am Ende mit der verlorenen Schlacht direkt in den tödlichen Niedergang führt.

„Grand Finale“ von Choreograf Hofesh Shechter ist ein wuchtiger Tanztheaterabend wie man ihn noch nie gesehen hat. Das Publikum bedachte die Aufführung in Recklinghausen mit einem langanhaltenden, frenetischen Applaus und Begeisterungsstürmen. (Jörg Bockow)

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Eintrittskarte der Ruhrfestspiele ist gleichzeitig ÖPNV-Ticket

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Ein Ticket für die Ruhrfestspiele: Mit der Vestischen und den Ruhrfestspielen kooperieren in diesem Jahr zwei starke Akteure der Region. Sie ermöglichen den Besucher*innen des renommierten Theaterfestivals mit einem KombiTicket und zusätzlichen Busfahrten einen nachhaltigen Kulturgenuss.

Ticket Ruhrfestspiele

Ruhrfestspiele: Die Eintrittskarte der Veranstaltung gilt als Ticket für die Hinreise mit dem ÖPNV

Über die Details informierten Ruhrfestspiele-Intendant Olaf Kröck, Genia Nölle, Verwaltungsdirektorin und Geschäftsführerin der Ruhrfestspiele, Landrat Cay Süberkrüb sowie Martin Schmidt und Holger Becker, Geschäftsführer und Prokurist der Vestischen, bei einem Mediengespräch in einem Linienbus des Verkehrsunternehmens vor dem Ruhrfestspielhaus.

So gilt die Eintrittskarte der Ruhrfestspiele 2020 zugleich als Ticket der Preisstufe D. Wer das Theaterfestival besucht, kann dies umweltbewusst tun und aus dem gesamten Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) mit dem ÖPNV anreisen. Die Eintrittskarte in Papierform berechtigt am Tag der Veranstaltung zur kostenfreien Hin- und Rückfahrt in allen Bussen und Nahverkehrszügen (2. Klasse) zum und vom jeweiligen Spielort. Bei online bestellten Karten und Karten, die bei externen Vorverkaufsstellen erworben werden, gelten besondere Bestimmungen, über die das Nahverkehrsunternehmen ab dem 28. Januar auf vestische.de/ruhrfestspiele2020 informiert.

Um weitere Anreize zum Umstieg vom PKW auf den Bus zu schaffen, weitet die Vestische ihr Angebot zu den Veranstaltungen deutlich aus. Sie verstärkt sieben Linien, die zum Ruhrfestspielhaus, zum Theater Marl sowie zur Halle König Ludwig 1/2 führen, mit 183 zusätzlichen Fahrten bzw. 108 Fahrstunden pro Woche. Der Verkehrsbetrieb wird damit rund 9000 Kilometer zusätzlich abspulen.
Darüber hinaus pendelt eine Sonderlinie zum Auftakt des Festivals am 1. Mai und zum Abschluss am 13. Juni viertelstündlich zwischen dem Recklinghäuser Hauptbahnhof, dem Kreishaus und dem Ruhrfestspielhaus.

Ob nach der Vorstellung noch Zeit für Gespräche oder ein geselliges Gläschen bleibt, beantwortet die Vestische im Foyer des Ruhrfestspielhauses. Dort informiert ein Monitor in Echtzeit, wann die nächsten Linien abfahren. Unter anderem wird eine Neuerung darauf abzulesen sein. Um die besondere regionale Partnerschaft zu betonen, hat die Vestische mit Unterstützung der Stadt Recklinghausen die Haltestelle an der Otto-Burrmeister-Allee umbenennen lassen: Ab dem 20. April halten die Linien 203 und 223 nicht mehr am „Festspielhaus“, sondern am „Ruhrfestspielhaus“.

Zitate zur Zusammenarbeit der Vestischen und der Ruhrfestspiele

Olaf Kröck, Intendant Ruhrfestspiele: „Ich freue mich über die Kooperation mit der Vestischen. Und ich bin beeindruckt, wie schnell und umfänglich diese Zusammenarbeit möglich ist. Den Ruhrfestspielen gelingt es damit erstmalig, ein überzeugendes Angebot zu machen, den öffentlichen Nahverkehr zur An- und Abreise zu nutzen. Wir hoffen, dass viele von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Denn es ist finanziell und ökologisch sinnvoll.“

Cay Süberkrüb, Landrat Kreis Recklinghausen und Aufsichtsratsvorsitzender Vestische: „Die Kooperation der Vestischen mit den Ruhrfestspielen passt ganz hervorragend zum Vestischen Klimapakt, den der Kreistag im September beschlossen hat. Dieser zusätzliche Service ist aber nicht nur gut für das Klima, auch die Menschen in der Region profitieren davon, denn schon die Anreise erfolgt stressfrei. Und nach dem Kulturgenuss geht es entspannt wieder nach Hause.“

Martin Schmidt, Geschäftsführer Vestische: „Was Literatur, Musik, Theater und Tanz mit der Vestischen zu tun haben? – Ganz einfach: Wir bewegen Menschen. Das ist ohnehin unser öffentlicher Auftrag, und wir möchten mehr Menschen überzeugen, das Auto stehen zu lassen und auf den Bus umzusteigen. Deswegen freuen wir uns über und auf die Kooperation mit den Ruhrfestspielen. Zumal die Vestische ohnehin seit vielen Jahren den Zugang zu kulturellen Angeboten erleichtert.“

www.vestische.de/ruhrfestspiele2020

 

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INSIDE OUT PROJECT der Ruhrfestspiele

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Die Ruhrfestspiele, eines der ältesten und größten Theaterfestivals in Europa, können aufgrund der Corona-Pandemie im Mai/Juni 2020 das erste Mal in ihrer fast 75jährigen Geschichte nicht wie geplant stattfinden. Wie so viele Festivals mussten sie abgesagt werden. Die Ruhrfestspiele setzen in diesem Jahr trotzdem ein künstlerisches Zeichen. Für den Zeitraum der ausfallenden Festspiele werden sie das partizipative „Inside Out Project“ präsentieren. Das internationale Projekt wurde vom französischen Fotografen JR, einem der gefragtesten Gegenwartskünstler der Welt, initiiert und hat weltweit bereits über 360.000 Porträts in 142 verschiedenen Ländern hervorgebracht.

INSIDE OUT PROJECT

Foto: Frank Relle, New Orleans / USA

Großformatige schwarz-weiß Fotografien, die die Geschichten der Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele erzählen, werden in den nächsten Wochen weithin sichtbar in den öffentlichen Raum an die Glasfassade des Ruhrfestspielhauses geklebt. Diese Aktion veranschaulicht nicht nur das Ausfallen der diesjährigen Ruhrfestspiele, sondern erinnert in diesen Krisenzeiten des social distancing zudem an die Kraft der Kunst und die Menschen, für die diese Kunst ein wesentlicher Teil ihres Lebens ist. Die Präsentation der Porträts sowohl der Besucher*innen als auch der Künstler*innen erzählt, welche unterschiedlichen Menschen in diesen Wochen bei den Ruhrfestspielen zusammengekommen wären, um gemeinsam Theater, Tanz, Performance, Literatur und Neuen Zirkus zu erleben. Das Inside Out Project wird in Recklinghausen in seiner wörtlichen Bedeutung zu sehen sein: Es kehrt in Zeiten der Isolation das Leben der Menschen vom Inneren ihrer Wohnungen nach außen und macht es an der Fassade des Ruhrfestspielhauses sichtbar. Mehrere hundert Porträts treten so an die Stelle der ausfallenden Festspiele und erinnern an die Kraft und Bedeutung der Kunst als lebenserhaltenden Reflexions- und Spielraum, an ihre Notwendigkeit für eine gemeinsame Selbstverständigung einer lebendigen Gesellschaft.

Für dieses partizipative Projekt sind die Ruhrfestspiele auf das Engagement jedes Einzelnen angewiesen. Sie rufen ihre Besucher*innen und Künstler*innen ab sofort auf digitalem Weg dazu auf, mit ihrem Porträt Teil der Ruhrfestspiele und zugleich Teil eines der größten partizipatorischen Kunstprojekte der Welt zu werden. Die Ruhrfestspiele bitten zum Start der ursprünglichen Ruhrfestspielsaison ihre Besucher*innen und Künstler*innen um Porträtfotos aus der Isolation.

Die eingesandten Fotos werden an der Glasfassade des Ruhrfestspielhauses als großformatige Abzüge zu sehen sein und in den sozialen Medien der Ruhrfestspiele sichtbar. Das Projekt wird mit einer Fotogalerie auf der Homepage der Ruhrfestspiele dokumentiert.

Die Porträts müssen in keiner professionellen Qualität erstellt werden, solange sie eine Größe von 1 MB bei 100 dpi haben und das Gesicht des Porträtierten vor einem neutralen Hintergrund erkennbar ist. Nicht zulässig sind Haustiere, Hinterköpfe, Menschengruppen und Objekte (z .B. Gesichtsmasken, Sonnenbrillen etc.). Tipp: Die besten Porträts sind ausdrucksstark, emotional und fesselnd. Sie sind mehr als Bilder von lächelnden Gesichtern, sie präsentieren die Persönlichkeit und die Geschichte hinter dem einzelnen Gesicht.

Um die Porträts für das Projekt verwenden zu können, müssen alle Teilnehmer*innen eine Einwilligungserklärung unterschreiben und den Ruhrfestspielen zusammen mit dem Porträt zusenden. Einsendeschluss ist der 8. Mai 2020. Alle Informationen gibt es hier.

 

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In Recklinghausen wohnen und leben

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In Recklinghausen wohnen und leben

In Recklinghausen wohnen und leben: Recklinghausen liegt am nördlichen Rand des Ruhrgebiets, dem größten Ballungsraum Deutschlands. Gleichzeitig ist der umliegende Kreis der bevölkerungsreichste im ganzen Land. Das lässt bereits vermuten, dass in hier immer etwas los ist. Tatsächlich bietet die Stadt sowohl Touristen als auch Einwohnern ein vielseitiges und abwechslungsreiches Kultur- und Freizeitprogramm.

In Recklinghausen wohnen und leben

Das Kulturangebot in der Stadt ist vielseitig – Foto Unsplash

Die besten Wohnlagen in der Stadt

Recklinghausen hat derzeit 18 Stadtteile, in denen insgesamt mehr als 100.000 Menschen leben. Trotz des stetigen Wachstums der Stadt sind Randgebiete wie Essel und Berghausen noch heute überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Hier leben nur wenige Menschen in einer Mietwohnung. Zu den gefragtesten Viertel gehören hingegen Recklinghausen-Süd und König-Ludwig im Süden der Stadt sowie das Nordviertel und das Westviertel, die direkt an das Stadtzentrum grenzen.

Die Stadtmitte ist natürlich ebenfalls beliebt, bietet aber nur wenig Wohnraum. Viele Mieter in Recklinghausen weichen deswegen auch auf das südlich des Zentrums gelegene Paulusviertel und das etwas weiter westliche Hillen aus.

In Recklinghausen wohnen und leben

Die Ruhrfestspiele sind das bekannteste und älteste Theaterfestival in Europa. Es feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen – Foto Ruhrfestspiele

Bei einer Wohnungssuche lohnt es sich, online nach passenden Objekten zu suchen. Sie können sich Im Vorfeld Bilder ansehen und sich über die Lage und weitere wichtige Details informieren. Der Hausverwalter GCP vermietet und verwaltet Wohnungen in ganz Deutschland. Bei der Suche nach Wohnungen in Recklinghausen kann Ihnen GCP mit Sicherheit weiterhelfen.

Wie die meisten Städte im Ruhrgebiet verfügt auch Recklinghausen über eine ausgezeichnete Infrastruktur. Einwohner sind mit zahlreichen Buslinien und der Tram innerhalb der Stadt zwischen den einzelnen Bezirken gut vernetzt. Außerdem sind sie über den Hauptbahnhof im Süden des Nordviertels regional gut an den Nahverkehr der deutschen Bahn angeschlossen. Das Kreuz Recklinghausen bietet außerdem mit der A43 und der A2 gleich Zugang zu zwei Autobahnen.

In Recklinghausen wohnen und leben

Auch das Sportangebot kann sich sehen lassen: Für jeden ist etwas dabei – Foto Unsplash

Die Ruhrfestspielstadt Recklinghausen

Das wichtigste Event in Recklinghausen sind jedes Jahr die Ruhrfestspiele der Stadt. 1946 durch eine Kooperation zwischen Bergleuten und Hamburger Schauspielern entstanden, ist es mittlerweile zu einem Theaterfestival von internationaler Bedeutung aufgestiegen. Zwischen Mai und Juni lockt es jedes Jahr mit seinen vielseitigen Inszenierungen um die 80.000 Besucher in die Stadt. Die Eröffnung erfolgt traditionelle mit einem großen Kulturvolksfest am 1. Mai. Der Hauptspielort ist das Ruhrfestspielhaus im Norden der Stadt. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Architekturpreis und außerdem als Kongress- und Tagungszentrum nutzbar gehört es zu den wichtigsten Veranstaltungszentren der Stadt.

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Auch für junge Leute gibt es ein breites Angebot: Die Musik- und Clubszene zieht Besucher aus dem Umland an – Foto Unsplash

Kultur und Bildung in Recklinghausen

Natürlich sind die Ruhrfestspiele nicht das einzige kulturelle Highlight, das Recklinghausen zu bieten hat. Vor allem Einwohner der Stadt profitieren von den zahlreichen Möglichkeiten in Sachen Bildung und Kunst:

  • Neue Philharmonie Westfalen: Das Sinfonieorchester spielt verschiedene Konzertreihen in Recklinghausen und den umgebenden Städten
  • Zentrum Altstadtschmiede: In einem der ältesten Kulturzentren Deutschlands finden verschiedene Konzerte, Kleinkunstveranstaltungen sowie Kinder- und Jugendtheater statt
  • Haus der Bildung mit Stadtbibliothek: Das Haus der Bildung bietet vielfältige Bildungs- und Beratungsangebote und beherbergt die öffentliche Bibliothek von Recklinghausen
  • Musikschule: Die Musikschule der Stadt unterrichtet sowohl Kinder als auch Erwachsene im Gesang sowie dem Spielen von Instrumenten
  • Volkshochschule: Wie alle Volkshochschulen bietet auch der Standort Recklinghausen zahlreiche Kursangebote für alle Altersgruppen mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten
  • Volkssternwarte und Planetarium: Planetarium und Sternwarte laden zum Entdecken und Beobachten ein und veranstalten regelmäßig Veranstaltungen
  • Museen: Insgesamt zehn Museen informieren über Themen wie Kunst, Stadtgeschichte und Industriekultur

Historische Innenstadt und Sehenswürdigkeiten in Recklinghausen

Recklinghausen erlitt im zweiten Weltkrieg nur leichte Schäden durch Luftangriffe. Daher ist das historische Zentrum der Stadt bis heute weitgehend erhalten. Auf dem Altstadtmarkt, dem Kirchplatz und in der Kunibertstraße finden Interessierte viele Gebäude, die teils knapp 500 Jahre alt sind. Weitere beeindruckende Gebäude und Sehenswürdigkeiten Recklinghausens sind das Rathaus am Kaiserwall, die Villa Still und das Willy-Brandt-Haus.

Neben den historischen Bauten verfügt Recklinghausen über eine Handvoll beeindruckender moderner Gebäude. Neben dem Ruhrfestspielhaus gehören dazu vor allem das Einkaufszentrum Palais Vest, das Museum Jerke und das Rondell in der Münsterstraße.

Vielseitige Freizeitangebote in Recklinghausen für junge Leute und Familien

Recklinghausen bietet seinen Bewohnern vielseitige Freizeitmöglichkeiten aller Art. Zu den beliebtesten Ausflugszielen vor Ort gehören der Tierpark, das Trainingsbergwerk, der Stadthafen und natürlich das Planetarium. Naturfreunde können außerdem auf der Halde Hoheward oder im Stadtgarten im Zentrum flanieren. Der Rodelberg an der Mollbeck, das Waldgebiet Haard im Naturpark Hohe Mark und der Halterner Stausee sind weitere grüne Erholungsgebiete in unmittelbarer Umgebung zur Stadt.

Sportler und Aktive nutzen die zwei Hallen- und zwei Freibäder in Recklinghausen sowie das Naturfreibad Suderwich. Andere Sportanlagen der Stadt wie die Sporthallen und das Stadion Hohenhorst können Interessenten entweder im Rahmen von Kursen oder Vereinstraining nutzen. Insgesamt bieten knapp über 100 Vereine ein vielseitiges Sportangebot von Angeln über Boxen, Chearleading, Karate und Reiten bis zu Tauchen und Wasserball. Da ist garantiert für jeden ein passendes Hobby dabei.

Freizeit in Recklinghausen – Das sind die Möglichkeiten

Langeweile in Recklinghausen? Auf keinen Fall! Diese Checkliste zeigt, was man alles unternehmen kann:

  • Ruhrfestspiele
  • Konzerte der Philharmonie Westfalen
  • Konzerte und Kleinkunst in der Altstadtschmiede
  • Bücher ausleihen in der Stadtbibliothek
  • Kurse in der Musik- und Volkshochschule
  • Geschichte entdecken im Museum
  • Entspannen auf städtischen Grünflächen
  • Besuch auf der Volkssternwarte, im Planetarium oder Museum
  • Rundgang durch die historische Altstadt und den Stadthafen
  • Shopping im Palais Vest
  • Besuch im Tierpark
  • Führung durch das Trainingsbergwerk
  • Ausflug auf die Halde Hoheward, in den Stadtgarten oder zum Halterner Stausee
  • Sport im Verein treiben
  • Schwimmen im Hallen- und Freibad oder im Naturfreibad

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